BGH zu den Grenzen beim Widerruf

Im Online-Handel können Verbraucher nach einem Widerruf Waren grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen zurückgeben. Dies geht jedoch nicht grenzenlos.

So hat der BGH für den Kauf eines Katalysators entschieden, dass dieser nach Einbau und Probefahrt nicht ohne weiteres im Rahmen des Widerrufsrechts zurückgegeben werden kann. Vielmehr muss der Kunde für die durch den Einbau und die Probefahrt entstandene Verschlechterung Wertersatz zu leisten, so der BGH mit Urteil vom 12. Oktober 2016 (VIII ZR 55/15).

Sachverhalt

Der Kläger bestellte im Jahr 2012 über die Internetseite der Beklagten, einen Katalysator nebst Montagesatz. Nach Erhalt ließ er den Katalysator in sein Auto einbauen. Nach einer kurzen Probefahrt stellte der Kläger fest, dass der Pkw nicht mehr die vorherige Leistung erbrachte. Er erklärte daraufhin fristgerecht den Widerruf seiner Willenserklärung und sandte den Katalysator an die Beklagte zurück. Der Katalysator wies jedoch nunmehr deutliche Gebrauchs- und Einbauspuren auf. Die Beklagte teilte dem Kläger daher mit, der Katalysator sei durch die Ingebrauchnahme wertlos geworden, weswegen sie mit einem entsprechenden Wertersatzanspruch aufrechne und den Kaufpreis nicht zurückerstatten werde.

Entscheidung des BGH zum Widerruf

In der bislang in der Sache veröffentlichten Pressemitteilung des BGH heißt es:

„Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass dem Verbraucher beim Fernabsatz vor der Ausübung seines Widerrufsrechts kein wertersatzfreier Umgang mit der Kaufsache gestattet ist, der nicht nur zu Verschlechterung der Ware führt, sondern auch über die Maßnahmen hinausgeht, die zum Ausgleich ihm entgangener Erkenntnismöglichkeiten im stationären Handel erforderlich sind.

Zwar entspricht es der erklärten Zielsetzung des nationalen und europäischen Gesetzgebers, dass der Verbraucher bei Fernabsatzgeschäften die Kaufsache vor Entscheidung über die Ausübung seines Widerrufsrechts nicht nur in Augenschein nehmen darf, sondern diese darüber hinaus auch einer Prüfung auf ihre Eigenschaften und ihre Funktionsweise unterziehen kann, ohne eine Inanspruchnahme für einen hieraus resultierenden Wertverlust befürchten zu müssen (§ 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB aF*). Dies dient der Kompensation von Nachteilen aufgrund der dem Verbraucher im Fernabsatz entgehenden Prüfungs- und sonstigen Erkenntnismöglichkeiten, die im stationären Handel gegeben wären. Auch wenn der Kunde im Ladengeschäft die Ware häufig nicht auspacken, aufbauen und ausprobieren kann, stehen ihm dort doch typischerweise Musterstücke sowie Vorführ- und Beratungsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich einen unmittelbaren Eindruck von der Ware und ihren Eigenschaften zu verschaffen.“

Ein Katalysator hätte jedoch auch bei einem Kauf im Ladengeschäft nicht eingebaut und ausprobiert werden können. In der Pressemitteilung heißt es insofern weiter:

„Die vom Kläger ergriffenen Maßnahmen gehen über die Kompensation solcher ihm entgangener Erkenntnismöglichkeiten im Ladengeschäft hinaus. Sie stellen sich vielmehr als eine – wenn auch nur vorübergehende – Ingebrauchnahme des Katalysators dar, die ihm eine im stationären Handel unter keinen Umständen eröffnete Überprüfung der konkreten Auswirkungen des erworbenen Autoteils auf die Fahrweise seines Fahrzeugs in der Praxis verschaffen sollte. Eine solche Besserstellung des Verbrauchers im Onlinehandel ist weder vom nationalen noch vom europäischen Gesetzgeber beabsichtigt.“

Der BGH sprach dem Kläger insofern grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch zu.

Rechtslage

Das Urteil erging zwar noch zu der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Rechtslage. Dort war zur Wertersatzpflicht des Käufers in § 357 Abs. 3 BGB:

(3) Der Verbraucher hat […] Wertersatz für eine Verschlechterung der Sache zu leisten,

1. soweit die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht und

(…)

In der entsprechenden Regelung des § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB  heißt es derzeit:

Der Verbraucher hat Wertersatz für einen Wertverlust der Ware zu leisten, wenn

1. der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war, und

(…)

Der Inhalt der Regelung hat sich danach nicht grundlegend verändert, so dass man sich auch derzeit auf das Urteil berufen können wird.

Pressemitteilung Nr. 179/2015 des BGH zum Urteil vom 12. Oktober 2016 – VIII ZR 55/15

Helena Golla