Vorsicht bei der Werbung mit Vitalstoffen

Die Werbung für das Nahrungsergänzungsmittel „Original Spiruletten mit Gerstengras“ mit den Aussagen, das Produkt enthalte „über 7.000 Vitalstoffe“ bzw. „über 7.000 komplett natürliche Vitalstoffe“,  Gerstengras sei „das vitalstoffreichste Lebensmittel der Welt“ und beinhalte „weit über 3.000 Vitalstoffe“ oder „Über 7.000 komplett natürliche Vitalstoffe gegeben Ihnen, insbesondere im Frühjahr, den nötigen Schwung für den Sommer“ ist irreführend. Dies entschied das OLG Hamm mit Urteil vom 30.04.2013 (4 U 149/12).Bei der beanstandeten Werbung mit Vitalstoffen handele es sich um nährwertbezogene Angaben. Mit solchen Angaben darf nur unter bestimmten Voraussetzungen geworben werden.

Nährwertbezogene Angaben

Nährwertbezogene Angabe ist nach Art 2. Abs. 2 Nr. 4 HCVO jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt. Als besondere positive Nährwerteigenschaften eines Lebensmittels sind zum Beispiel die Lieferung einer erhöhten Energie- oder Nährtoffmenge anzusehen. Als nährwertbezogene Angabe ist so z.B. die Angabe „reich an wertvollen Vitaminen und Nährstoffen“ angesehen worden.

Vitalstoffe

In Bezug auf den Begriff der Vitalstoffe hat das Gericht ausgeführt:

Bei dem Begriff der Vitalstoffe handelt es sich um einen Oberbegriff für alle vom menschlichen Körper benötigten bzw. der Gesundheit des Organismus förderlichen Substanzen mit Ausnahme der Nährstoffe, die der direkten Energiezufuhr dienen, nämlich Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett (vgl. Brockhaus, Ernährung, Artikel Vitalstoffe, 2. Aufl. 2004). Unter Vitalstoffen sind also nicht nur Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe zu verstehen, sondern auch Enzyme.

Mit den Aussagen in Bezug auf die enthaltenen Vitalstoffe (z.B :“über 7.000 komplett natürliche Vitalstoffe“, Gerstengras soll „nach Meinung vieler Experten das vitalstoffreichste Lebensmittel der Welt“ sein und „weit über 3.000 Vitalstoffe“ beinhalten. etc. ) werde das Lebensmittel in besonderer Weise damit beworben, dass es Vitalstoffe, also Nährstoffe und andere Substanzen wie Enzyme, in ganz besonders erhöhter Menge enthalten soll, und zwar im Superlativ in der größten Menge überhaupt. Darunter kann der Verbraucher nur eine ganz besondere ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung des Mittels verstehen, so das Gericht.

Anforderung an eine Werbung mit nährwertbezogenen Angaben

Die Werbung mit nährwertbezogenen Angaben ist jedoch nur dann zulässig, wenn die konkrete Angabe im Anhang der Health-Claims-Verordnung aufgeführt ist und die in der Verordnung festgelegten Bedingungen eingehalten werden. Der Begriff „Vitalstoff“ ist im Anhang zur HCVO jedoch nicht aufgeführt.

Das Gericht führt weiter aus:

Der Begriff der Vitalstoffe ist vielmehr unspezifisch und für den wissenschaftlichen Gebrauch ungeeignet, weil er eine große Anzahl verschiedener Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zusammenfasst.

(…)

Der Begriff eröffnet Möglichkeiten zur Irreführung der Verbraucher.

Die entsprechenden werblichen Aussagen waren danach als irreführend zu unterlassen.

Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben

Die Angabe „Über 7.000 komplett natürliche Vitalstoffe gegeben Ihnen, insbesondere im Frühjahr, den nötigen Schwung für den Sommer“ sei als gesundheitsbezogene Angabe unzulässig.

Zwar kann sie für sich betrachtet auch als bloße allgemeine plakative Anpreisung zu qualifizieren sein. Sie ist indes im Zusammenhang mit der weiteren Werbeaussage zu werten, die wie folgt lautet: „So aßen beispielsweise schon römische Gladiatoren Gerstengras, um ihre Stärke und Ausdauer zu unterstützen.“ Dadurch wird die Angabe „nötiger Schwung“ mit Stärke und Ausdauer gleichgesetzt. Das bezieht sich auf den Gesundheitszustand. Durch die Worte „geben Ihnen“ wird auch eine Verbesserung des Gesundheitszustands suggeriert.

so das Gericht.

Die Anforderungen, welche an eine solche gesundheitsbezogene Werbung gestellt werden, waren nicht eingehalten.

Helena Golla