LG Gießen zur irreführenden Werbung über den Betriebssitz bei Anrufweiterschaltung und die Zugehörigkeit zu Industrie- und Handelskammern bzw. Handwerkskammern

Werden Werbeaussagen über den Betriebssitz oder die Zugehörigkeit zu Industrie- und Handelskammern getroffen, dürfen diese nicht irreführend sein. Wie die Wettbewerbszentrale berichtet, hatte sich mit diesen Fragen das Landgericht Gießen in seinem Urteil vom 14.07.2015, Az.: 6 O 54/14 (nicht rechtskräftig) zu beschäftigen.

Nach einer Pressemitteilung der Wettbewerbszentrale wurden einem Rohr- und Kanalreinigungsunternehmen mehrere Werbeaussagen als irreführend untersagt. Zum einen warb dieser mit der Aussage „Mitglied der Industrie- und Handelskammer“ unter Verwendung des Logos der Industrie- und Handelskammer sowie mit der Angabe „Mitglied der Handwerkskammer“.

Allerdings war das Unternehmen nicht Mitglied der Industrie- und Handelskammer, weshalb das Gericht diese unwahre Aussage als Irreführung über geschäftliche Verhältnisse einordnete.

Hinweis auf Mitgliedschaft in der Handwerkskammer stellt Werbung mit Selbstverständlichkeit dar

Anders sah dies bei der Mitgliedschaft in der Handwerkskammer aus, die zweifelsfrei bei dem Unternehmen vorlag. Allerding sah das Gericht darin eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten, da Rohr- und Kanalreinigungsunternehmen handwerksähnliche Gewerbe darstellen, die gegenüber der Handwerkskammer anzuzeigen sind. Da diese Anzeigepflicht nicht jedem Verbraucher bekannt sei und der Hinweis auf eine gewisse Seriosität deute, sehe ein nicht nur unerheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher in der Mitgliedschaft bei der Handwerkskammer einen Vorteil gegenüber Angeboten anderer Rohr- und Kanalreinigungsunternehmen.

Irreführende Werbung über den Betriebssitz bei Angaben von Ortsvorwahlen bei Weiterleitung

Zum anderen hatte der Unternehmer in den Gelben Seiten unter der Rubrik „Rohrreinigung“ für verschiedene Orte mit ortsbezogenen Telefonnummern geworben, obwohl er an diesen Orten über keine Niederlassungen verfügt. Vielmehr wurden alle eingehenden Anrufe an einen Ort – den Firmensitz des Unternehmens – weitergeleitet. Ein Hinweis auf die Weiterleitung der Kundenanrufe fand dabei gar nicht oder nur in kaum für den Verbraucher wahrnehmbarer Weise statt.

Nach der Pressemitteilung der Wettbewerbszentrale, sah das Gericht darin eine Irreführung mit einem nicht vorhandenen Betriebssitz gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UWG. Beim Verbraucher werde durch die ortsbezogene Telefonnummer die Assoziation hervorgerufen, dass ein Fachmann aus einem regionalen Unternehmen zur Verfügung stehe. Dies verschaffe dem werbenden Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, da ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher bei der Wahl auf eine schnelle Erreichbarkeit Wert lege oder auch ortsansässige Unternehmen bevorzugt wähle, um zu deren Existenz beizutragen.

Fazit

Bei der Werbung mit der Mitgliedschaft bei einer Berufskammer ist nach diesem Urteil Vorsicht geboten, da einerseits nicht mit einer nicht vorhandenen Mitgliedschaft geworben werden dürfe und auf der anderen Seite die Werbung mit einer Pflichtmitgliedschaft eine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten darstelle. Wirbt ein Unternehmen mit ortsbezogenen Telefonnummern, darf dies nicht irreführend sein.

Pressemitteilung der Wettbewerbszentrale