Die Werbung für ein der Romanfigur Pippi Langstrumpf nachempfundenes Karnevalskostüm stellt keine Wettbewerbsrechtsverletzung dar. Dies hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 19.11.2015, Az.: I ZR 149/14 – Pippi-Langstrumpf-Kostüm II laut Pressemitteilung vom 19.11.2015 entschieden.
Hintergrund
Die Beklagte betreibt Einzelhandelsmärkte in Deutschland. In der Sache hatte die Beklagte im Jahre 2010 für die Bewerbung ihrer Karnevalskostüme ein Mädchen und eine junge Frau, die mit einem Karnevalskostüm verkleidet waren, in Verkaufsprospekten abgebildet. Diese trugen jeweils eine rote Perücke mit abstehenden Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit rotem und grünem Ringelmuster. Die Abbildungen waren dabei bundesweit in Verkaufsprospekten, Plakaten sowie Zeitungsanzeigen und im Internet zu sehen. Auch waren diese den von der Beklagten insgesamt 15.000 verkauften Kostümsets beigefügt.
Klägerin ist die Erbengemeinschaft Astrid Lindgrens, die über die Rechte am künstlerischen Schaffen der Erfinderin von Pippi Langstrumpf verfügt. Diese behauptete, dass durch die Werbung gegen das Urheberrecht sowie das Wettbewerbsrecht verstoßen worden sei. Sie begründete dies damit, dass sich die Beklagte durch die Abbildungen an die Romanfigur Pippi Langstrupf angelehnt habe. Die Klägerin machte daraufhin Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr geltend.
Verfahrensgang
Das Landgericht Köln hatte in erster Instanz im Jahre 2011 die Beklagte noch antragsgemäß verurteilt (LG Köln, Urteil vom 10.08.2011, Az.: 28 O 117/11). Im ersten Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Köln (OLG Köln, Urteil vom 24.02.2012, Az.: 6 U 176/11) wurde entschieden, dass der urheberrechtliche Anspruch vorliege, weshalb die Berufung der Beklagten erfolgslos blieb. Die Beklagte legte daraufhin Revision beim BGH ein, der das Berufungsurteil aufhob und die Ansprüche aus dem Urheberrecht verneinte und die Klage in Bezug darauf abwies. Hierzu hatten wir bereits hier berichtet.
Bezüglich der hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus dem Wettbewerbsrecht verwies der BGH die Sache an das OLG Köln zurück (BGH, Urteil vom 17.07.2013, Az.: I ZR 52/12 – Pippi-Langstrumpf-Kostüm I). Das OLG Köln wies daraufhin im letzten Jahr die Klage auch in Bezug auf die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche ab (OLG Köln, Urteil vom 20.06.2014, Az.: 6 U 176/11).
Das OLG begründete seine Entscheidung damit, dass zwar eine nachschaffende Nachahmung (§ 4 Nr. 9 lit.a), b) UWG) der Romanfigur vorliege, diese aber nicht unlauter sei, da die hierfür erforderlichen besonderen Umstände nicht vorliegen würden.
§ 4 Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen
Unlauter handelt insbesondere, wer9. Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt …
Nach Meinung des OLG Köln liege weder eine unlautere Herkunftstäuschung, noch eine unangemessene Ausnutzung der Beeinträchtigung der Wertschätzung der Figur Pippi Langstrumpf vor.
BGH verneint auch wettbewerbsrechtlichen Anspruch
Nunmehr hat der BGH die Revision zurückgewiesen und ebenfalls einen Anspruch nach § 4 Nr. 9 UWG verneint. Der BGH stellte klar, dass auch eine literarische Figur, wie Pippi Langstrumpf, unter diese Norm fallen könne. Hier würde es aber an einer Nachahmung fehlen, da in vorliegenden Fall zu wenig Ähnlichkeit zwischen der Originalfigur und dem Karnevalskostüm bestehe.
Dazu führte der BGH in seiner Pressemitteilung aus:
„Zwar kann auch eine literarische Figur dem Schutz dieser Bestimmung unterfallen. Es fehlt jedoch vorliegend an einer Nachahmung. An eine Nachahmung einer Romanfigur durch Übernahme von Merkmalen, die wettbewerblich eigenartig sind, in eine andere Produktart, wie sie bei einem Karnevalskostüm gegeben ist, sind keine geringen Anforderungen zu stellen. Im Streitfall bestehen zwischen den Merkmalen, die die Romanfigur der Pippi Langstrumpf ausmachen, und der Gestaltung des Kostüms nur so geringe Übereinstimmungen, dass keine Nachahmung vorliegt.“
Ebenfalls sei ein Anspruch nach § 3 Abs. 1 UWG zu verneinen, da die wettbewerbsrechtliche Generalsklausel aufgrund einer fehlendende Schutzlücke nicht anzuwenden sei. Außerdem betonte der BGH:
„Der Klägerin steht es zudem frei, das Erscheinungsbild solcher Produkte als Marke und Design schützen zu lassen. Darüber hinausgehend ist es wettbewerbsrechtlich nicht geboten, denjenigen, der eine Leistung erbringt, grundsätzlich auch an allen späteren Auswertungsarten seiner Leistung zu beteiligen.“
Fazit
Durch die Entscheidung des BGH wurde ein langjähriges und bedeutendes Verfahren abgeschlossen und entschieden, ob eine bekannte literarische Figur wettbewerbsrechtlich gegen eine Benutzung als Karnevalskostüm geschützt ist. Nachahmungen literarischer Figuren sollen daher nicht schutzfähig sein, soweit keine konkreten Merkmale übernommen wurden. Die Praxis wird nun zeigen, wie weit dies geht, da es vom Einzelfall abhängt, ob der Abstand zum Original aus rechtlicher Sicht ausreichend ist.
Pressemitteilung des BGH vom 19.11.2015