Amazon-Klauseln gegen Hochretournierer unwirksam

Das OLG Köln hat ein wichtiges Urteil zur Zugänglichkeit von Kundenkonten nach Kündigung von Hochretournierern gefällt. Das gesetzliche Widerrufsrecht ist ein Segen für Verbraucher und kann für den Händler einen Fluch bedeuten.

Zunächst schafft es natürlich Vertrauen beim Käufer, wenn er sich nach Prüfung einer Ware wieder vom Vertrag lösen kann. Wenn die Käufer jedoch immer wieder ihrer Ware retournieren, kann es für den Verkäufer teuer werden. Einige wenige Käufer nutzen das Internet teilweise unter Berufung auf das Widerrufsrecht, wie ein Leihhaus.

Vertragsfreiheit für den Händler

Nach zunächst bestehender rechtlicher Unsicherheit hat sich zwischenzeitlich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es dem Händler die Vertragsfreiheit erlaubt, zu entscheiden, ob er mit bestimmten Käufern weiter Geschäfte machen möchte.

„Leider haben wir jedoch festgestellt, dass Sie in den letzten beiden Jahren mehr als die Hälfte aller Artikel zurückgeschickt haben. Damit liegt Ihre Rücksendequote dauerhaft ganz erheblich über dem Durchschnitt. … Wir bitten Sie daher, bei Ihren nächsten Bestellungen wirklich nur solche Artikel zu bestellen, die Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit behalten wollen. Denn eine deutliche Absenkung Ihrer Rücksendequote ist eine notwendige Voraussetzung für die positive Fortsetzung unserer Geschäftsbeziehung.“

 Mit diesem Text schrieb der Otto-Versand schon vor Jahren Kunden an, die aus Sicht des Versenders zu viel retournierten. Wenn der Kunde auch danach mehr als 50% der bestellten Ware wieder zurücksandte, wurde die Geschäftsbeziehung beendet:

„Wir haben Sie bereits auf die besonderen Probleme hingewiesen, die entstehen, wenn Kunden sehr viele der gelieferten Artikel wieder zurückschicken. Leider haben wir in den letzten Monaten feststellen müssen, dass wir Sie mit unserer Ware nicht zufrieden stellen können. Sie haben wieder deutlich mehr als die Hälfte der gelieferten Artikel zurückgeschickt. Wir bedauern sehr, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir unter diesen Umständen nicht bereit sind, Sie weiter zu beliefern.”

Das OLG Hamburg (Urteil vom 25.11.2004 – Az. 5 U 22/04) sah diese Praxis als rechtmäßig an.

Kein unangemessener Druck bei Hochretournierern

Viele Händler machen mittlerweile von dieser Möglichkeit Gebrauch und teilen sogenannten Vielretournierern mit, dass das Geschäftsverhältnis als defizitär eingestuft wird und sie künftig keine Geschäftskontakte mehr wünschen. Der Händler muss aufpassen, dass er keinen unangemessenen Druck auf Kunden ausübt, von seinem Widerrufsrecht nicht Gebrauch zu machen. Problematisch wäre es also, etwa mit der Warenzusendung jeden Kunden darauf hinzuweisen, dass aber Ausübung des Widerrufsrechts mit Sanktionen rechnen muss oder auch bei sonst ohne sachlichen Grund ausgesprochenen Warnungen.

Auch wenn dieser Teil rechtlich relativ klar ist, knüpfen sich an die folgende Entscheidung des Händlers weitere Fragen an. Mit der Beendigung der Geschäftsbeziehung wird nämlich in aller Regel auch der Zugang zum Kundenkonto gesperrt. Dies kann dazu führen, dass der Kunde nicht mehr an bezahlte Leistungen herankommt. Bekanntlich sind beispielsweise bei Amazon eine Reihe von Leistungen nur über das Kundenkonto erhältlich. Dies gilt für im Kundenkonto digital gespeicherte Filme, Musik, Hörbücher sowie eBooks und andere digitale Leistungen.

Amazon Klausel benachteiligend

In einer aktuellen Entscheidung hat das OLG Köln (Urteil vom 26.02.2016, Az. 6 U 90/15) sich auf Klage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mit Regelungen von Amazon auseinandergesetzt, die sich mit der Schließung von Kundenkonten befassen.

Angeblich auf die Beschwerde vieler Kunden hin klagten die Verbraucherschützer gegen eine Klausel in den Nutzungsbedingungen der Amazon Europe Core S.á.r.l., die es Amazon gestattete, Kunden „Services auf der Website vorzuenthalten, Mitgliedskonten zu schließen oder Inhalte zu entfernen oder zu verändern“ für den Fall, dass Kunden „gegen anwendbare Gesetze, diese Nutzungsbedingungen oder andere anwendbare Vertragsbedingungen oder Richtlinien verstoßen.“ Amazon sprach lediglich von der Schließung in einigen wenigen Fällen eines außergewöhnlichen Retourenverhaltens.

Die Richter des u.a. für Wettbewerbsstreitigkeiten zuständigen VI. Zivilsenats gaben den Verbraucherschützern recht. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Verbraucherschützer stellen nun einen Musterbrief zur Verfügung, mit dem das Versandunternehmen aufgefordert wird, den Zugang zu den digitalen Inhalten wieder bereitzustellen.

Klagebefugnis

In ihrem Urteil bekräftigten die Richter die Klagebefugnis der Verbraucherschützer und die Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Prüfung der Klauselverwendung gegenüber deutschen Verbrauchern. Die Klausel selbst sah man als unangemessen benachteiligend an und zwar sowohl nach deutschem, als auch nach luxemburgischen Recht. Auch wenn die Amazon AGB die Anwendung luxemburgischen Rechts vorsehen, darf dies nicht dazu führen, dass dem Verbraucher wesentliche Rechte, die ihm sein Sitzland gewährt, entzogen werden. Der Umstand, dass die Klausel es Amazon erlaubte, digitale Inhalte auch von ihren Servern zu entfernen, war dabei entscheidend.

Keine Abmahnkosten

Der Ersatz von Abmahnkosten wurde übrigens verwehrt, da die falsche Amazon Gesellschaft außergerichtlich abgemahnt worden war.

Praxistipp

Eine eventuell durch anschließende Revisionsentscheidung muss natürlich abgewartet werden. Dennoch zeigt sich bereits an diesem Urteil, dass die Möglichkeit, die Geschäftsbeziehung mit Verbrauchern zu beenden, nicht schrankenlos besteht. Insbesondere dann, wenn der Zugang zum bereits bezahlten Inhalten von der Beendigung betroffen ist, dürften entsprechende Klauseln in aller Regel als unwirksam einzustufen sein. In der Praxis ist daher darauf zu achten, dass der Zugang zu solchen Inhalten möglicherweise getrennt von sonstigen Zugangsmöglichkeiten eingerichtet wird.