Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, dass der Käufer trotz eines wirksamen Vertrags nicht zwingend einen Anspruch auf die gekaufte Ware hat (Urt. v. 19.05.2016, Az. I-16 U 72/15).
Die Klägerin, ein im Bereich der Wärmedämmtechnik tätiges Unternehmen, kaufte im Online-Shop der Beklagten 10 Generatoren zum Stückpreis von 24,00 EUR netto. Zwar hatte sie gar keine Verwendung für die Ware. Dem Geschäftsführer der Klägerin fiel aber auf, dass der Preis für die Generatoren viel zu niedrig angegeben wurde, wodurch sie den Plan verfolgte, diese anschließend mit Gewinn weiterzuverkaufen. Der Normalpreis derartiger Generatoren liegt bei ca. 4.000 EUR. Mit automatischer Bestellbestätigung wurde die Bestellung in Höhe von 285,60 inkl. MwSt. bestätigt.
LG Wuppertal: Wirksame Anfechtung
Einen Tag später teilte die Beklagte der Klägerin per E-Mail mit, dass die Bestellung aufgrund einer Systemstörung nicht ausgeführt werden kann und diese daher storniert werde. Da die Käuferin dies nicht einsah und vielmehr die Lieferung der Waren zum angegebenen Gesamtpreis forderte, kam es zum Verfahren vor dem Landgericht Wuppertal. Die Klägerin vertrat die Meinung, dass hier nicht nur ein Vertrag vorliege, sondern dieser auch nicht wirksam angefochten wurde. Immerhin sei die genannte Systemstörung kein Willensmangel und darüber hinaus auch noch unwahr.
Die Argumentation überzeugte das LG Wuppertal nicht, da nach dessen Meinung unabhängig vom Vertragsschluss zumindest eine wirksame Anfechtung vorliege. Durch das Wort „stornieren“ habe die Beklagte eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie sich an dem Erklärten nicht festhalten lassen wolle. Das Recht zur Anfechtung bestehe in dem Erklärungsirrtum, wobei dahinstehen könne, ob es sich um eine Fehleingabe oder einen Fehler in der technischen Übertragung gehandelt habe.
Das für sie nachteilige Urteil veranlasste die Klägerin zur Berufungseinlegung vor dem OLG Düsseldorf. Die mit dem Fall befassten Richter bewerteten ihn anders als die Vorinstanz, ohne jedoch der Klägerin den Anspruch zuzusprechen.
Zwar sei zunächst ein Vertrag durch die Bestellbestätigung zustande gekommen. Im Gegensatz zu den meisten automatisierten E-Mails nach einer Bestellung sei hier bereits der Wille zum Vertragsschluss sichtbar geworden, da die vorbehaltlose Ausführung der Bestellung angekündigt wurde. Auch die Überschrift „Auftragsbestätigung“ spreche dafür.
Festhalten am Vertrag unzumutbar
Der Vertrag wurde nach Auffassung des OLG Düsseldorf nicht durch Anfechtung beseitigt, da kein Anfechtungsgrund vorliege. Die Beklagte habe nicht beweisen können, dass die falsche Preisangabe auf einer fehlerhaften Eingabe in das Computersystem erfolgte und insofern ein Erklärungsirrtum gegeben ist.
Stattdessen kann die Klägerin den Anspruch aus Treu und Glauben nicht durchsetzen. Entscheidend sei nämlich, dass das Festhalten an dem Vertrag für die Beklagte schlechthin unzumutbar ist und auch die diesbezüglichen Umstände für den anderen Teil erkennbar sind.
Es steht fest, dass der Geschäftsführer der Klägerin bei Abgabe des Angebots erkannt hatte, dass das Online-System der Beklagten einen viel zu niedrigen Preis anzeigte. (…) Ob er sich dabei eine Vorstellung davon gemacht hat, der angezeigte, offensichtlich fehlerhafte Preis beruhe auf einer fehlerhaften Eingabe (Erklärungsirrtum) oder einer fehlerhaften Berechnung (Kalkulationsirrtum), spielt insoweit keine Rolle. Auch ist das Festhalten an dem Vertrag – für den Geschäftsführer der Klägerin bei Vertragsschluss erkennbar – für die Beklagte schlechterdings unzumutbar. Denn damit würde sie die Generatoren zu weniger als 1% ihres Marktwertes verkaufen, was auch bei der Annahme einer großzügigen Handelsspanne einen erheblichen Verlust nach sich ziehen würde.
Fazit
Auch wenn die Sache für die Klägerin – zumindest nach der Berufungsinstanz – gut ausging, zeigt der Fall, dass es für Online-Händler wichtig ist, richtig und schnell zu reagieren, da gerade die Anfechtung unverzüglich erklärt werden muss. Der Verweis auf Treu und Glauben wird in aller Regel nicht gelingen, da dieser Grundsatz nur in absoluten Ausnahmefällen angewendet wird.