BGH: Muss die Widerrufsbelehrung in Printwerbung enthalten sein?

Print ist tot – so beginnen häufig Vorträge über die Digitalisierung. Aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Über Printwerbemittel gewinnen Versandunternehmen nicht nur neue Kunden, sondern generieren darüber große Anteile ihres Unternehmensumsatzes. Umso wichtiger ist es da, dass der BGH nun klare Vorgaben zu Angaben auf diesen Werbemitteln gemacht hat. Gehört z.B. die Widerrufsbelehrung mit abgedruckt? Was ist mit den AGB?

Der BGH (Urt. v. 11.4.2019, I ZR 54/16) hatte sich mit einer für den Versandhandel sehr wichtigen Frage zu beschäftigen. Welche gesetzlichen Pflichtinformationen gehören auf ein gedrucktes Werbemittel?

Medien mit begrenzter Darstellungskapazität

Hintergrund des Verfahrens ist eine spezielle Ausnahmevorschrift.

Grundsätzlich müssen alle Fernabsatzhändler einen sehr umfangreichen Katalog an Pflichtinformationen erfüllen.

Es gibt aber Werbemittel, die dem Unternehmer für die Erfüllung der Pflichtinformationen nicht genug Raum bieten. Dies erkannte auch der europäische Gesetzgeber beim Erlass der Richtlinie.

Daher wurde folgende Ausnahme in Art. 8 Abs. 4 VRRL geschaffen:

Wird der Vertrag mittels eines Fernkommunikationsmittels geschlossen, auf dem für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum bzw. begrenzte Zeit zur Verfügung steht, so hat der Unternehmer über das jeweilige Fernkommunikationsmittel vor dem Abschluss des Vertrags zumindest diejenigen vorvertraglichen Informationen zu erteilen, die die in Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a, b, e, h und o genannten wesentlichen Merkmale der Waren oder Dienstleistungen, die Identität des Unternehmers, den Gesamtpreis, das Widerrufsrecht, die Vertragslaufzeit und die Bedingungen der Kündigung unbefristeter Verträge betreffen. Die anderen in Artikel 6 Absatz 1 genannten Informationen hat der Unternehmer dem Verbraucher in geeigneter Weise im Einklang mit Absatz 1 dieses Artikels zu erteilen.

Die darin angesprochenen Informationen aus Art. 6 Abs. 1 lit a, b, e, h und o VRRL sind Informationen über:

a) die wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen, in dem für das Kommunikationsmittel und die Waren oder Dienstleistungen angemessenen Umfang;

b) die Identität des Unternehmers, beispielsweise seinen Handelsnamen;

e) den Gesamtpreis der Waren oder Dienstleistungen einschließlich aller Steuern und Abgaben, oder in den Fällen, in denen der Preis aufgrund der Beschaffenheit der Waren oder Dienstleistungen vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Versandkosten und alle sonstigen Kosten, oder in den Fällen, in denen diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzliche Kosten anfallen können. Im Falle eines unbefristeten Vertrags oder eines Abonnement-Vertrags umfasst der Gesamtpreis die pro Abrechnungszeitraum anfallenden Gesamtkosten. Wenn für einen solchen Vertrag Festbeträge in Rechnung gestellt werden, umfasst der Gesamtpreis ebenfalls die monatlichen Gesamtkosten. Wenn die Gesamtkosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, ist die Art der Preisberechnung anzugeben;

h) im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Artikel 11 Absatz 1 sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B;

o) gegebenenfalls die Laufzeit des Vertrags oder die Bedingungen der Kündigung unbefristeter Verträge oder sich automatisch verlängernder Verträge.

Umfangreiche Pflichtinformationen

Dabei sollten die Angaben nach Buchstaben a und e selbstverständlich sein. Das sind letztlich die Produktbeschreibung und der zugehörige Preis sowie Versandkosten.

Der Kunde muss schließlich auch bei einer Bestellung über ein Print-Werbemittel wissen, was er zu welchem Preis kauft.

Auch die Bekanntgabe der Identität des werbenden Unternehmers stellt kein Problem dar. Der Kunde soll schließlich wissen, bei wem er bestellt.

Komplikationen kann da schon die Belehrung über das Widerrufsrecht (Buchstabe h) machen. Die Widerrufsbelehrung nimmt allein bereits sehr viel Platz ein. Hinzu kommt das Muster-Widerrufsformular, dass ebenfalls unnötigen Platz einnimmt, da dies ohnehin kaum ein Verbraucher verwendet.

Wann greift die Ausnahme

Die Frage in dem Prozess war: Wann genau greift die Ausnahme aus Art. 8 Abs. 4 VRRL ein? Was ist also ein Fernkommunikationsmittel, auf dem für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum zur Verfügung steht?

Die Richtlinie definiert dies nicht näher. Die EU-Kommission veröffentlichte begleitend zur Richtlinie ein Dokument, in dem sie bestimmte Sachverhalte näher erklärte. Für diese Ausnahme für die Kommission Bestellangebote per SMS an. Davon abgesehen, dass dieses Beispiel unpassend ist, spielt der „SMS-Commerce“ in der Praxis auch keine (relevante) Rolle.

Deutsche Umsetzung

Diese Ausnahme musste natürlich auch ins deutsche Recht umgesetzt werden. Deutschland entschied sich dabei für folgende Formulierung:

Soll ein Fernabsatzvertrag mittels eines Fernkommunikationsmittels geschlossen werden, das nur begrenzten Raum oder begrenzte Zeit für die dem Verbraucher zu erteilenden Informationen bietet, ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher mittels dieses Fernkommunikationsmittels zumindest folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:

1. die wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen,
2. die Identität des Unternehmers,
3. den Gesamtpreis oder in den Fällen, in denen der Preis auf Grund der Beschaffenheit der Waren oder Dienstleistungen vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung,
4. gegebenenfalls das Bestehen eines Widerrufsrechts und
5. gegebenenfalls die Vertragslaufzeit und die Bedingungen für die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses.
Die weiteren Angaben nach § 1 hat der Unternehmer dem Verbraucher in geeigneter Weise unter Beachtung von § 4 Absatz 3 zugänglich zu machen.

Das deutsche Recht lässt also in Nummer 4 eine Information über das Bestehen des Widerrufsrechtes ausreichen.

Werbebeilage mit Bestellpostkarte

In dem Ausgangsverfahren, über das der BGH nun abschließend entschieden hat, ging es um ein Werbeprospekt. Dies bestand aus 6 Seiten mit den Abmessungen von jeweils 19 x 23,7 cm inkl. einer Bestellpostkarte.

Das Prospekt enthielt einen Hinweis auf das Bestehen des Widerrufsrechtes, nicht aber eine vollständige Widerrufsbelehrung inkl. Muster-Widerrufsformular.

Hierfür erhielt der Unternehmer eine Abmahnung. Durch alle Instanzen bis hin zum EuGH beschäftigte der Fall die Gerichte – bis zum jetzt abschließenden Urteil des BGH.

Kein Werbemittel mit beschränkter Darstellungskapazität

Der BGH entschied nun, dass das von der Beklagten eingesetzte Prospekt kein Werbemittel mit beschränkter Darstellungskapazität war.

Die Begrenzung des Raums muss sich entweder auf die dem Kommunikationsmittel innewohnenden Eigenschaften oder auf die wirtschaftliche Entscheidung des Unternehmers zurückführen lassen. Dies hatte der EuGH in seinem Urteil in diesem Verfahren vorab klargestellt.

Für die Beurteilung dieser Frage müssen also sämtliche technische Eigenschaften der Werbebotschaft des Unternehmers berücksichtigt werden.

Zu beachten sind dabei insbesondere zwei Dinge:

  1. der Raum, der von der werblichen Botschaft eingenommen wird
  2. der Raum, der für die Darstellung der Pflichtinformationen benötigt wird

Bei der Darstellung der Pflichtinformationen ist dabei auf eine angemessene Mindestgröße der Schrift zu achten.

Dagegen ist die vom Unternehmer vorgenommene Aufteilung und Nutzung des Raums auf dem Prospekt zunächst einmal irrelevant.

Unternehmerische Freiheit vs. Pflichtinformationen

Die Beurteilung der Begrenzung des Platzes knüpft aber auch an die unternehmerische Entscheidung über Art und Umfang der Werbung an. Jeder Unternehmer bestimmt selbst, ob er einen 200-seitigen Katalog verwendet oder einen Flyer oder ein Prospekt wie im vorliegenden Fall.

Auf der Grundlage dieser unternehmerischen Entscheidung ist sodann zu prüfen, ob alle in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU genannten Informationen – unter Berücksichtigung des für einen durchschnittlichen Adressaten der Werbung angemessenen Schrifttyps – objektiv in dieser Werbung dargestellt werden können.

Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die Vorstellungen des Unternehmers zur Aufteilung und Nutzung des beim von ihm gewählten Kommunikationsmittel verfügbaren Raums an. Indem die Beurteilung der Begrenztheit an die unternehmerische Wahl von Art und Umfang des Werbemittels anknüpft, wird der durch Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechte-Charta) gewährleisteten unternehmerischen Freiheit Rechnung getragen, die auch die Werbefreiheit einschließt, und eine mit Art. 52 Abs. 1 EU-Grundrechte-Charta unvereinbare Beschränkung der Freiheit des Unternehmers bei der Wahl seiner Werbemittel vermieden.

Dadurch besteht keine Gefahr, dass die Unternehmer bestimmte Werbeformen nicht mehr sinnvoll nutzen können, weil der Werbecharakter gegenüber der Fülle der Pflichtinformationen in den Hintergrund gedrängt wird.

Demgegenüber entspricht die nach der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gebotene Auslegung, den Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2011/83/EU nicht nach der gestalterischen Entscheidung des Unternehmers hinsichtlich der Aufteilung und Nutzung von Raum und Zeit bei dem von ihm gewählten Kommunikationsmittel zu bestimmen, dem von der Richtlinie gewollten Verhältnis von Regel und Ausnahme, das aufgehoben würde, wenn die Anwendbarkeit der Ausnahme allein von der gestalterischen Entscheidung des Unternehmers abhinge, so dass von ihr im Ergebnis beliebig Gebrauch gemacht werden könnte.

Im Hinblick auf den Zweck der Richtlinie 2011/83/EU, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen (Art. 1 der Richtlinie), könnten willkürliche Beschränkungen der Informationspflicht infolge der Gestaltung eines Werbemediums als unzulässige Umgehung der Informationsanforderungen erscheinen.

Anteil der Pflichtinformationen am Werbemittel

Im vorliegenden Fall hätten alle Pflichtinformationen etwa eine DIN-A4-Seite gefüllt. Selbst bei einer Reduzierung der Schriftgröße hätte der Anteil noch immer bei ca. einem Drittel des Werbemittels gelegen.

Diese Schwelle reichte dem Gericht für die Annahme einer begrenzten Darstellungskapazität noch nicht aus. Der Unternehmer hätte das Prospekt hinsichtlich Layout und Grafik anders gestalten können.

Herabgesetzte Informationsanforderungen sind nach der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht gerechtfertigt, wenn der Raum eines Flugblattes, einer Broschüre oder eines Werbeprospekts allein aufgrund der gestalterischen Entscheidung des werbenden Unternehmens zu Layout und Grafik des Werbeträgers nicht für die Pflichtangaben ausreicht.

Die Grenze sei dann erreicht, wenn die Werbebotschaft hinter den gesetzlich vorgeschriebenen Verbraucherinformationen zurücktreten muss. Wann diese Grenze erreicht sei, entscheidet sich immer im Einzelfall.

Dabei genügt es noch nicht, wenn die Pflichtinformationen einen Anteil von 10 % ausmachen.

Allerdings ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Werbebotschaft noch nicht zurücktritt, wenn die verpflichtenden Verbraucherinformationen bei Verwendung einer für den durchschnittlichen Adressaten der Werbung angemessenen Schrifttype nicht mehr als ein Fünftel des verfügbaren Raums benötigen.

Muster-Widerrufsformular

Auch das Muster-Widerrufsformular gehört in einem solchen Fall in das Werbemittel. Dieses können Unternehmer erst weggelassen, wenn sie für die Pflicht-Informationen nebst Muster-Widerrufsformular mehr als 20 % des für die konkrete Printwerbung verfügbaren Raums benötigen.

Als Nächstes wäre zu prüfen, ob die restlichen Informationen noch mehr als ein Fünftel des Raumes einnehmen. Ist dies der Fall, kann man auch auf die anderen Pflichtinformationen (weitestgehend) verpflichten.

Fazit

Die Ansprache von Kunden durch Printwerbung ist wirtschaftlich sinnvoll. Zahlreiche Verbraucher sind nicht online-affin, die man nur über Einleger oder ähnliches erreicht. Unternehmer sollten nach dem Urteil des BGH ihre Werbeformate jetzt so wählen, dass sie die magische 20 %-Schwelle überschreiten würden. Dann kann man sich auf die Ausnahmevorschrift berufen und auf bestimmte Informationen verzichten. Wichtig ist aber dabei: Diese Informationen sind an anderer Stelle trotzdem zu erteilen. (mr)

Martin Rätze