Der Online-Handel ist geprägt von zahlreichen gesetzlichen Informationspflichten. Ständig treten neue hinzu. Doch jetzt soll etwas Seltenes geschehen: Der Gesetzgeber will die Informationspflicht zur außergerichtlichen Streitbeilegung streichen! Und die EU will die sog. OS-Plattform abschaffen.
Das Bundesjustizministerium hat einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Förderung und Entbürokratisierung der Verbraucherstreitbeilegung veröffentlicht.
Damit soll für zahlreiche Unternehmen zumindest eine von vielen Informationspflichten wegfallen.
Stand jetzt: Pflichtinformation über Streitschlichtung
Nach aktuellem Stand muss jeder Online-Händler, der im vorangegangenen Jahr mehr als 10 Beschäftigte hatte, in seinem Impressum und in seinen AGB darüber informieren, inwieweit er bereit oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Unter gewissen Umständen muss auch auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hingewiesen werden.
Außerdem kennt das Gesetz aktuell diesbezüglich noch eine zweite Informationspflicht:
Ist eine Streitigkeit zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmen entstanden, muss das Unternehmen auf eine zuständige Verbraucherschlichtungsstelle unter Angabe von deren Anschrift und Webseite hinweisen. Gleichzeitig muss das Unternehmen (erneut) darauf hinweisen, ob es zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bei dieser Verbraucherschlichtungsstelle bereit oder verpflichtet ist. Dieser zusätzliche Hinweis muss in Textform, also z.B. per Mail erfolgen.
Diese zweite Informationspflicht führt zu dem in der Praxis absurden Hinweis:
„Für uns zuständige Verbraucherschlichtungsstelle ist XY. Wir sind nicht bereit oder verpflichtet, an einem Streitbeilegungsverfahren bei dieser Verbraucherschichtungsstelle teilzunehmen.“
Plan für die Zukunft: Informationspflicht wird überwiegend gestrichen
Der nun vorgelegte Referentenentwurf sieht vor, dass die Informationspflicht nur noch greifen soll, wenn das Unternehmen sich zur Teilnahme an einer solchen Streitschlichtung vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet hat oder wenn es aufgrund von Rechtsvorschriften zu einer solchen Teilnahme verpflichtet ist.
Das bedeutet: Der überwiegende Teil der Online-Händler soll in Zukunft nicht mehr von dieser Informationspflicht erfasst werden.
Auch die nachträgliche Informationspflicht soll angepasst werden.
Nach dem Entstehen einer Streitigkeit soll das Unternehmen nach den Plänen zunächst mitteilen, ob es bereit oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Und nur dann, wenn das Unternehmen dazu bereit oder verpflichtet ist, muss auch die zuständige Schlichtungsstelle genannt werden inkl. Anschrift und Website.
Dieser nachträgliche Hinweis ist unverzüglich zu erteilen, wenn der Verbraucher gegenüber dem Unternehmer einen Anspruch geltend macht und der Unternehmer entscheidet, diesen Anspruch nicht oder nicht vollständig zu erfüllen. Der Referentenentwurf sieht hierfür die Textform vor.
Keine Kosten bei unberechtigter Inanspruchnahme
Der Referentenentwurf sieht außerdem vor, dass die größte Ungerechtigkeit des derzeitigen Schlichtungsverfahren beseitigt werden soll.
Nach aktueller Rechtslage, muss der Unternehmer, der an einer Streitschlichtung teilnimmt, immer die Gebühren für das Verfahren tragen – unabhängig davon, ob er gewinnt oder nicht.
Das bedeutet nach der aktuellen Gebührenregelung in § 6 der Universalschlichtungsstellenverordnung, dass bei Streitwerten bis 100 Euro der Unternehmer immer 40 Euro Gebühren zahlen muss.
Ist ein Verbraucher der Meinung, der Unternehmer hätte z.B. nach Widerruf 20 Euro zu wenig erstattet, kann er die Schlichtungsstelle anrufen. Erklärt sich der Unternehmer bereit, an dem Verfahren teilzunehmen, muss er also 40 Euro bezahlen. Und zwar selbst dann, wenn am Ende herauskommt, dass der Verbraucher im Unrecht war.
Nach dem Referentenentwurf soll damit Schluss sein. Der Unternehmer soll keine Gebühren mehr bezahlen müssen, wenn sich herausstellt, dass der vom Verbraucher geltend gemachte Anspruch nicht besteht.
OS-Plattform soll ersetzt werden
Neben diesen nationalen Plänen gibt es auch Neuigkeiten aus der EU zum Thema Streitschlichtung.
Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für eine Verordnung vorgelegt, in dem vorgesehen ist, die OS-Plattform abzuschaffen. Der Rat hat jetzt seinen Standpunkt dazu veröffentlicht und fordert darin die Kommission dazu auf, die OS-Plattform durch ein neues digitales Instrument zu ersetzen.
Dieser Vorschlag befindet sich nun im europäischen Gesetzgebungsverfahren.
Fazit
Das Instrument der außergerichtlichen Streitbeilegung findet bei Unternehmen in Deutschland nur wenig Anklang. Das mag zum einen an den aktuell unfairen Bedingungen liegen (Stichwort: einseitige Kostentragungspflicht), zum anderen aber auch daran, dass in Deutschland die Gerichte relativ schnell entscheiden und es daher kein Bedarf an einem solchen zusätzlichen Instrument besteht. Da ist es nur konsequent, dass Informationspflichten, die niemandem helfen, gestrichen werden. Wir werden Sie über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten.
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