Neues Kaufrecht – Lieferantenregress

Wer Waren verkauft, haftet seinen Kunden gegenüber für Mängel an dieser Ware und schuldet dem Kunden Gewährleistung. Dies kann teilweise erhebliche Kosten verursachen. Kann man diese von seinem Lieferanten ersetzt verlangen? Gibt es einen Lieferantenregress? Oder vielleicht sogar unmittelbar vom Hersteller?

Das Gesetz hält gesonderte Normen für den sog. „Rückgriff des Verkäufers“ bereits. Darin sind die Rechte eines Verkäufers geregelt, wenn Ware mangelhaft ist und die Kunden des Verkäufers deswegen Gewährleistungsrechte geltend machen.

Ware ist mangelhaft

Grundsätzlich stehen dem Verkäufer Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen zu, wenn er gegenüber seinem Käufer Gewährleistungsansprüche erfüllen musste.

Beispiel:

Der Verkäufer verkauft eine neue Ware an einen Kunden. Der Kunde stellt fest, dass die Ware einen Defekt hat. Er meldet dies beim Verkäufer und macht seine Gewährleistungsansprüche gelten, er verlangt Reparatur. Der Verkäufer repariert die Ware. Für Porto und die Reparatur fallen 150 Euro ein. Diese will der Verkäufer nun von seinem Lieferanten ersetzt haben.

Lieferantenregress des Verkäufers

Das Gesetz normiert die grundsätzlichen Ansprüche des Verkäufers gegen seinen Lieferanten in § 445a Abs. 1 BGB:

„Der Verkäufer kann beim Verkauf einer neu hergestellten Sache von dem Verkäufer, der ihm die Sache verkauft hatte (Lieferant), Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Verhältnis zum Käufer nach § 439 Absatz 2, 3 und 6 Satz 2 sowie nach § 475 Absatz 4 zu tragen hatte, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel bereits beim Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden war oder auf einer Verletzung der Aktualisierungspflicht gemäß § 475b Absatz 4 beruht.“

Lieferant ist der Ansprechpartner

Die Ansprüche bestehen nur gegenüber demjenigen, der die Ware an den Verkäufer verkauft hat. Hier muss der Verkäufer also genau prüfen, von wem er die Ware bezieht.

Kauf er die Ware direkt beim Hersteller ein, ist dieser auch der Ansprechpartner für den Rückgriff. Ist ein Zwischen- oder Großhändler eingeschaltet, ist dieser der Ansprechpartner.

Neu hergestellte Sache

Außerdem muss es sich um eine neu hergestellte Sache handeln.

Das bedeutet, dass der Lieferantenregress beim Verkauf gebrauchter Sachen ausgeschlossen ist.

Ob diese Einschränkung allerdings mit europäischem Recht vereinbar ist, ist fraglich. Man muss hier auf den EuGH hoffen, dass er diese Regelung für europarechtswidrig erklärt, da die Warenkauf-Richtlinie diese Einschränkung auf neu hergestellte Sachen nicht kennt.

Ersatz von Aufwendungen

Der Anspruch umfasst alle Aufwendungen, die der Verkäufer im Verhältnis zum Käufer hatte, und zwar:

  • Transportkosten für den Hin- und Rücktransport vom und zum Kunden
  • Material- und Arbeitskosten für z.B. Reparatur oder Neubeschaffung einer Ersatzware
  • Ausbaukosten der mangelhaften Ware und Einbaukosten der neugelieferten Ersatzware
  • Transportkosten für die Abholung der mangelhaften Ware bei Lieferung einer neuen, mangelfreien Ware
  • gezahlte Vorschüsse an den Verbraucher im Rahmen der Gewährleistung

Kein Vorschuss!

Wichtig: Der Anspruch greift nur für den Ersatz von Aufwendungen, genauer gesagt: Ersatz für bereits getätigte Aufwendungen. Das bedeutet, dass man als Verkäufer den Verbraucher nicht vertrösten kann, bis der Lieferant Zahlungen geleistet hat.

Vielmehr muss der Verkäufer zunächst seine gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen und kann dann auf seinen Lieferanten zugehen und Ersatz für die getätigten Aufwendungen verlangen.

Rückgriffe durch die gesamte Lieferkette

Das Gesetz sieht dabei im Grundsatz vor, dass dem Verkäufer diese Ansprüche gegen seinen Lieferanten zustehen. Dem Lieferanten stehen die gleichen Ansprüche dann gegen seinen Lieferanten zu. Diesem dann gegen seinen Lieferanten…usw. bis man letztlich beim Hersteller angelangt ist.

Mangel muss bereits vorgelegen haben

Eine erste wichtige Einschränkung dieser Ansprüche ist allerdings:

„…wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel bereits beim Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden war“

Meldet sich also ein Verbraucher mit einem Mangel und der Verkäufer muss Gewährleistungsansprüche erfüllen, hat er im Anschluss möglicherweise einen Regressanspruch. Allerdings muss er seinem Lieferanten gegenüber beweisen, dass der Mangel, den der Verbraucher geltend macht, bereits vorgelegen hat, als der Lieferant die Ware an den Verkäufer geliefert hat.

Ein solcher Beweis wird immer schwerer zu erbringen sein, je weiter „hinten“ in der Lieferkette man sich befindet.

Lieferantenregress und handelsrechtliche Rügepflichten

Eine weitere Einschränkung dieser Ansprüche sind die handelsrechtlichen Rügepflichten.

§ 377 Abs. 1 HGB verpflichtet – sofern das Geschäft für beide Seiten ein Handelsgeschäft ist – den Verkäufer bei Ankunft der Ware von seinem Lieferanten zur Untersuchung der Ware und zur unverzüglichen Anzeige von nicht versteckten Mängeln.

Hierbei reicht es nicht aus, dass man lediglich den Karton einer Ware auf Unversehrtheit prüft. Vielmehr muss man stichprobenartig die gesamte Lieferung kontrollieren und dabei die erhaltene Ware auch auspacken. Allerdings kann es auch sein, dass bei originalverpackten Waren die Untersuchung eher mit einem reduzierten Aufwand durchgeführt werden kann.

Hat der Verkäufer seine handelsrechtlichen Rügepflichten gegenüber seinem Lieferanten verletzt, hat er auch keinen Anspruch mehr auf den Lieferantenregress.

Verjährung beim Lieferantenregress

Die Regressansprüche aus § 445a BGB verjähren grundsätzlich innerhalb von 2 Jahren ab Ablieferung der Ware durch den Lieferanten an den Verkäufer.

Allerdings ist in § 445b Abs. 2 BGB festgelegt, dass die Regressansprüche aus § 445b Absatz 2 Satz 1 BGB frühestens zwei Monate nach Erfüllung der Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers durch den Verkäufer verjähren (sog. Ablaufhemmung).

Beispiel:

Lieferant liefert Ware am 1.2.2022 an den Verkäufer.

Verbraucher kauft diese Ware am 1.12.2022.

Am 1.6.2024 macht der Verbraucher (berechtigte) Gewährleistungsansprüche geltend.

Der Verkäufer erfüllt diese Gewährleistungsansprüche am 1.8.2024.

Würden die Ansprüche des Verkäufers immer nach 2 Jahren verjähren, hätte er in diesem Beispiel keinen durchsetzbaren Anspruch mehr gegen seinen Lieferanten, weil die 2 Jahre am 1.8.2024 bereits abgelaufen sind.

Die Ablaufhemmung verhindert dies jedoch. Diese Regelung „verlängert“ die Verjährung. Da der Verkäufer die Gewährleistungsansprüche erst am 1.8.2024 erfüllt hat, hat er danach noch 2 Monate Zeit, seine Ansprüche beim Lieferanten geltend zu machen.

Mit dieser Regelung will das Gesetz verhindern, dass die Regressansprüche des Verkäufers bereits verjährt sind, bevor der Verbraucher seine Gewährleistungsrechte geltend gemacht hat.

Die bis 2022 vorgesehene Obergrenze der Verjährungsfrist von 5 Jahren wurde ersatzlos gestrichen.

Lieferantenverträge beachten!

Hier haben wir die gesetzlichen Grundlagen beschrieben. Da es sich bei den Verträgen zwischen Lieferanten und Verkäufern allerdings um ein B2B-Geschäft handelt, können in den entsprechenden Verträgen auch abweichende Regelungen getroffen werden.

Häufig finden sich z.B. umfangreiche Haftungsausschlüsse in B2B-Verträgen. Auch ist es denkbar, dass die Verjährung der Regressansprüche anders geregelt ist.

Allerdings kann in diesen Verträgen nicht ohne Weiteres von den Vorschriften des Lieferantenregresses abgewichen werden, wenn der Vertrag zwischen dem Letztverkäufer und dem Kunden ein Verbrauchsgüterkauf ist.

Gemäß § 478 Abs. 2 BGB kann sich ein Lieferant dann auf vertragliche Einschränkungen der Ansprüche aus dem Lieferantenregress nicht berufen, wenn er dem Rückgriffsgläubiger (also dem Letztverkäufer) keinen gleichwertigen Ausgleich eingeräumt hat.

Letztlich sind damit Einschränkungen oder gar Ausschlüsse der Ansprüche aus dem Lieferantenregress kaum bis gar nicht möglich.

Fazit

Das Gesetz räumt Verkäufern umfangreiche Rückgriffsrechte ein, wenn sie Gewährleistungsansprüche gegenüber Verbrauchern zu erfüllen haben. Einschränkungen erfahren diese Ansprüche hauptsächlich durch die handelsrechtlichen Rügeobliegenheiten. Vertragliche Einschränkungen in den Lieferantenverträgen sind kaum bis gar nicht möglich. (mr)

Übersicht Neues Kaufrecht

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Martin Rätze