Neue Produktsicherheitsverordnung: Was kommt auf Händler zu?

Ab dem 13. Dezember 2024 gilt eine neue EU-Produktsicherheitsverordnung. Bislang gilt die Produktsicherheitsrichtlinie, die in Deutschland mit dem Produktsicherheitsgesetz in nationales Recht umgesetzt wurde. Die neue Verordnung wird aber unmittelbar gelten und die bisherigen nationalen Vorschriften verdrängen. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Warum gibt es die neue Produktsicherheitsverordnung?

Die bisherigen Regelungen zur Produktsicherheit beruhen auf einer Verordnung aus dem Jahr 2001. Durch technische Entwicklungen sind diese Vorgaben etwas „in die Jahre“ gekommen.

Außerdem will die EU mit der neuen Verordnung erreichen, dass in allen Mitgliedstaaten die gleichen Sicherheitsanforderungen an Produkte gelten. So soll der Binnenmarkt und der grenzüberschreitende Handel gestärkt werden.

Für wen gelten die neuen Vorgaben?

Von der Produktsicherheitsverordnung werden zunächst alle Wirtschaftsakteure erfasst. Unter einem „Wirtschaftsakteur“ versteht die Verordnung gemäß ihrem Art. 3 Nr. 13

den Hersteller, den Bevollmächtigten, den Einführer, den Händler, den Fulfilment-Dienstleister oder jede andere natürliche oder juristische Person, die Pflichten im Zusammenhang mit der Herstellung von Produkten oder deren Bereitstellung auf dem Markt gemäß dieser Verordnung unterliegt.

Die Definition ist also denkbar weit gefasst.

Allerdings unterscheiden sich die Pflichten für die einzelnen Kategorien von Wirtschaftsakteuren.

Wichtig: Ein Unternehmen kann durchaus in mehrere Kategorien fallen. So kann beispielsweise ein Händler auch Hersteller sein, wenn er Produkte herstellen lässt und dieses Produkt dann in seinem eigenen Namen oder unter der eigenen Handelsmarke vermarktet.

Welche Produkte werden von der Verordnung erfasst?

Grundsätzlich gilt die Produktsicherheitsverordnung für alle Produkte, die für Verbraucher bestimmt sind. Sofern für diese Produkte allerdings speziellere europäische Sicherheitsvorschriften existieren, soll die Verordnung nur für diejenigen Aspekte und Risiken oder Risikokategorien gelten, die nicht unter die bereits bestehenden Anforderungen fallen.

Der Begriff des Produktes wird sehr weit gefasst. Hierunter versteht man gemäß Art. 3 Nr. 1

jeden Gegenstand, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Gegenständen entgeltlich oder unentgeltlich — auch im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung — geliefert oder bereitgestellt wird und für Verbraucher bestimmt ist oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen wahrscheinlich von Verbrauchern benutzt wird, selbst wenn er nicht für diese bestimmt ist.

Vollständig ausgenommen vom Anwendungsbereich der Verordnung sind

  • Human- und Tierarzneimittel
  • Lebensmittel
  • Futtermittel
  • lebende Pflanzen und Tiere, genetisch veränderte Organismen und genetisch veränderte Mikroorganismen in geschlossenen Systemen sowie Erzeugnisse von Pflanzen und Tieren, die unmittelbar mit ihrer künftigen Reproduktion zusammenhängen,
  • tierische Nebenprodukte und Folgeprodukte
  • Pflanzenschutzmittel
  • Beförderungsmittel, mittels derer Verbraucher sich fortbewegen oder reisen und die von Dienstleistungserbringern im Rahmen einer Transportdienstleistung, die Verbrauchern erbracht wird, direkt bedient werden und nicht von den Verbrauchern selbst bedient werden
  • Luftfahrzeuge
  • Antiquitäten

Gilt die Produktsicherheitsverordnung auch für gebrauchte Produkte?

Grundsätzlich ja.

Die Verordnung gilt gemäß Art. 2 Abs. 3 aber nicht für Produkte, die vor ihrer Verwendung repariert oder wiederaufgearbeitet werden müssen, wenn diese Produkte als solche in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden und eindeutig als solche gekennzeichnet sind.

Welche Pflichten gelten für Hersteller?

Wenn Hersteller ein Produkt in Verkehr bringen, müssen sie gewährleisten, dass diese Produkte im Einklang mit den allgemeinen Sicherheitsanforderungen aus der Produktsicherheitsverordnung stehen. Diese Anforderungen sind im Detail in Art. 5 der Verordnung aufgeführt.

Außerdem müssen Hersteller bevor sie ein Produkt in Verkehr bringen, eine interne Risikoanalyse durchführen und technische Unterlagen erstellen.

Die Hersteller gewährleisten des Weiteren, dass ihre Produkte eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder ein anderes für den Verbraucher leicht erkennbares und lesebares Element zu ihrer Identifizierung tragen.

Auf dem Produkt selbst oder auf der Verpackung oder in einer dem Produkt beigelegten Unterlage müssen die Hersteller ihren Namen, ihren eingetragenen Handelsnamen oder ihre eingetragene Handelsmarke, ihre Postanschrift und ihre E-Mail-Adresse sowie, falls abweichend, die Postanschrift oder die E-Mail-Adresse der zentralen Anlaufstelle an, unter der sie kontaktiert werden können, angeben.

Dem Produkt müssen außerdem klare Anweisungen und Sicherheitsinformationen beigefügt sein. Diese Anforderung gilt jedoch nicht, wenn das Produkt auch ohne solche Anweisungen und Sicherheitsinformationen sicher und wie vom Hersteller vorgesehen verwendet werden kann.

Einen detaillierten Beitrag mit den Pflichten für Hersteller finden Sie hier auf www.tcilaw.de.

Welche Pflichten gelten für Händler?

Bevor ein Händler ein Produkt auf dem Markt bereitstellt, muss er sich zunächst vergewissern, dass der Hersteller die soeben genannten Pflichten erfüllt.

Lagern die Händler die Produkte, müssen sie gewährleisten, dass in dieser Zeit, in der sich ein Produkt in ihrer Verantwortung befindet, die Sicherheit der Produkte nicht beeinträchtigt wird.

Elektronische Geräte sollten z.B. so gelagert werden, dass sie keinen Feuchtigkeitsschaden erleiden können.

Wichtig: Ist der Händler der Auffassung, dass ein Hersteller seine Pflichten nicht erfüllt hat, darf er das Produkt nicht auf dem Markt bereitstellen!

Das bedeutet also, dass für das betreffende Produkt ein gesetzliches Handelsverbot besteht.

Dies ist von besonderer Bedeutung für Unternehmen, die ihre Produkte im Fernabsatz anbieten.

Im Fernabsatz gilt gemäß Art. 4 Produktsicherheitsverordnung, dass ein Produkt auf dem Markt bereitgestellt ist, wenn sich das Angebot an Verbraucher in der Union richtet. Also ist bereits die Erstellung des Angebotes im Fernabsatz (z.B. die Aufnahme des Produktes in den Online-Shop) als Bereitstellen auf dem Markt zu verstehen. Kommt der Händler zu der Erkenntnis, dass der Hersteller seine Pflichten nicht erfüllt, muss er das Angebot aus dem Shop entfernen.

In anderen Fernabsatzmedien, etwa in Katalogen oder auf Flyern, dürfte sich das schwierig gestalten. Stellt sich dem Start des Kataloges heraus, dass ein bestimmtes Produkt nicht den Anforderungen entspricht, kann dies nachträglich ja nicht m ehr aus dem Katalog entfernt werden.

Hat der Händler Meldepflichten?

Ja.

Ist der Händler der Auffassung, dass ein Hersteller seine Pflichten nicht erfüllt hat, muss er den Hersteller darüber informieren.

Außerdem stellt er sicher, dass ggfs. Korrekturmaßnahmen ergriffen werden, was z.B. auch ein Rückruf der Produkte sein kann.

Und der Hersteller muss sicherstellen, dass unverzüglich die Marktüberwachungsbehörden über das Safety-Business-Gateway davon unterrichtet werden.

Gibt es weitere Pflichten für Händler?

Ja.

Alle Wirtschaftsakteure (also auch Händler) müssen sicherstellen, dass sie über interne Verfahren zur Gewährleistung der Produktsicherheit verfügen.

Je nach Branche können das einfachere Ablaufbeschreibungen sein, in denen z.B. festgehalten ist, wie die interne Informationskette funktioniert und welche Person für was zuständig ist. Evtl. könnte man auch einen „Produktsicherheitsbeauftragten“ benennen, bei dem alle Fäden zusammenlaufen und der für die Dokumentation verantwortlich ist, dass überprüft wurde, ob die Hersteller ihre Pflichten eingehalten haben.

Müssen Produktbeschreibungen im Shop bzw. Katalog angepasst werden?

Leider ja.

Werden Produkte online oder über eine andere Form des Fernabsatzes auf dem Markt bereitgestellt, so muss das Angebot dieser Produkte die folgenden Informationen gemäß Art. 19 Produktsicherheitsverordnung enthalten:

  1. den Namen, den eingetragenen Handelsnamen oder die eingetragene Handelsmarke des Herstellers sowie die Postanschrift und die E-Mail-Adresse, unter denen er kontaktiert werden kann,
  2. falls der Hersteller nicht in der Union niedergelassen ist: den Namen, die Postanschrift und die E-Mail-Adresse der verantwortlichen Person im Sinne der Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten,
  3. Angaben, die die Identifizierung des Produkts ermöglichen, einschließlich einer Abbildung des Produkts, seiner Art und sonstiger Produktidentifikatoren, und
  4. etwaige Warnhinweise oder Sicherheitsinformationen, die gemäß dieser Verordnung oder den anwendbaren Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union in einer Sprache, die für die Verbraucher leicht verständlich ist und die der Mitgliedstaat festlegt, in dem das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wird, auf dem Produkt oder auf der Verpackung anzubringen oder in einer Begleitunterlage beizufügen sind.

Diese Angaben müssen eindeutig und gut sichtbar sein.

Neu ist insbesondere, dass künftig jedes Produkt, das im Fernabsatz angeboten wird, mit einem Produktbild dargestellt werden muss.

Die Aufnahme von speziellen Warnhinweisen kennen einige Händler bereits, z.B. in Bezug auf Biozide oder Hinweise nach der Spielzeugrichtlinie. Mit der neuen Verordnung gilt dies für alle Produkte, bei denen es entsprechende Warnhinweise oder Sicherheitsinformationen gibt.

Die Auflistung der Warnhinweise und Sicherheitsinformationen kann je nach Produkt sehr umfangreich sein. Dies dürfte bei der Erstellung von Katalogen oder anderen Printmaterialien mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit in Zukunft noch für Herausforderungen sorgen.

Im Online-Shop ist zu beachten, dass diese Informationen zu den wesentlichen Informationen der Ware gehören und daher nicht nur auf der Produktseite aufgeführt werden müssen, sondern nochmals auf der letzten Bestellseite.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die Produktsicherheitsverordnung?

Der deutsche Gesetzgeber muss noch die Gesetze schaffen, die die Sanktionen bei Verstößen gegen die Produktsicherheitsverordnung regeln.

Aktuell liegt ein Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor.

Händler, die ein Produkt auf dem Markt bereitstellen, obwohl er der Auffassung ist oder Grund zur Annahme hat, dass ein Hersteller seine Pflichten nicht erfüllt hat, soll ordnungswidrig handeln. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 100.000 Euro geahndet werden.

Werden die Pflichtinformationen im Fernabsatz nicht erfüllt, stellt auch dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Diese kann mit einer Geldbuße bis zu 10.000 Euro geahndet werden.

Das Gesetz ist aber noch nicht verabschiedet, es muss noch durch das parlamentarische Verfahren gehen. Daher kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob es bei diesen Sanktionen bleibt oder ob etwa noch mehr hinzukommen oder andere Geldbußen gelten werden.

Neben Geldbußen greift aber auch das Wettbewerbsrecht. Das bedeutet, dass in dem Bereich – insbesondere hinsichtlich der Informationspflichten – mit Abmahnungen zu rechnen ist.

Fazit

Unternehmen sollten sich auf die neuen Regelungen einstellen und mit ihren Herstellern die Pflichtenerfüllung klären. Außerdem sollten die gesetzlich verpflichtenden internen Verfahren zur Gewährleistung der Produktsicherheit entwickelt werden, sofern solche nicht bereits bestehen.

Wir unterstützen Sie gerne bei der Umsetzung der neuen Vorgaben. (mr)

Martin Rätze