Bei einer Abmahnung ist eine Gegenabmahnung ein probates Mittel. Allerdings schwebt der Betroffene hier immer in Gefahr, mit seiner Gegenabmahnung wegen Missbrauch nach § 8 Abs. IV UWG aufzulaufen. Im hier vorliegenden Fall hatte ein Rechtsanwalt zu viel des Guten getan und stürzte seine Mandanten in ein Desaster. Warum Sie ihrem Rechtsanwalt auf die Finger schauen müssen (Urteil des OLG Hamm v. 03.05.2011 (Az. 4 U 9/11 – nicht rechtskräftig).
Da wird man abgemahnt und es stellt sich heraus, dass immerhin 25 Abmahnungen auch bei anderen Betroffenen eingeschlagen sind. Ein Rechtsanwalt G. sah sich berufen, Hilfe anzubieten. Nach dem Urteil des OLG Hamm v. 03.05.2011 (Az. 4 U 9/11 – nicht rechtskräftig) führte diese Hilfe für seine Mandanten in ein Desaster.
Bericht über Rechtsmissbrauch
Wie in letzter Zeit üblich, informierte unser Rechtsanwalt G. auf seiner Webseite über einen „Rechtsmissbrauch“ des Abmahners Gl. und sammelte mit der Aufforderung, sich dringend beraten zu lassen, einige Betroffene ein.
Für sechs betroffene Mandanten mahnte er nun in drei „Salven“ seinerseits Gl. wegen im Wesentlichen identischer Verstöße ab ( fehlerhafte 40- EUR Klausel, keine Angaben, ob Vertragstext gespeichert wird und keine Hilfe zu Eingabefehlern).
Der hatte dann sechs Gegen-Abmahnungen jedenfalls am 14.07.2010 auf seinem Tisch. Gegenüber drei abmahnenden Mandanten gab Gl. jeweils am 14.07.2010 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.
Am 19.08.2010 wurde wegen eines Verstoßes gegen die Vertragsstrafenversprechen erneut Unterlassungserklärungen, diesmal mit höherer Vertragsstrafe gegenüber Gl. gefordert. Hier ging unser Anwalt G. erneut für die drei ersten Abmahner parallel gegen Gl. vor. Auch wurden sodann Vertragsstrafen geltend gemacht usw. Insgesamt drohten jetzt dem zuvor vielfach abmahnenden Gl. zahlreiche Vertragsstrafen und Kostenerstattungen für Abmahnungen, die nach meinen Einschätzungen in einen schmerhaften fünfstelligen Bereich wuchsen.
Rechtsmissbrauch bei Kostenbelastungsinteresse
Das OLG Hamm hatte jetzt in einem der Verfahren, die aufgrund der Weigerung von Gl. in die II. Instanz gelangten, zu entscheiden, ob der Einwand von Gl. , die Salven seien rechtsmissbräuchlich, zutreffend war.
Die Richter gaben dem vormaligen Abmahner Recht. Die Unterlassungsansprüche in der Abmahnung seien rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. IV UWG., da sachfremde Ziele festzustellen seien. Es sei vornehmlich um ein Kostenbelastungsinteresse gegangen in Form von vielfachen Gebührenansprüchen und darum eine Vielzahl von Vertragsstrafeansprüchen zu generieren. Die Mehrfachverfolgung sei nicht erforderlich gewesen, da hierzu ein einziger Titel ausgereicht hätte, so die Richter.
Gegenabmahnung zulässig
Allerdings ist es grundsätzlich so, dass man auch dann noch abmahnen kann, wenn andere ebenfalls abmahnen. Allein die Retourkutsche in Form der Gegenabmahnung war also nicht rechtsmissbräuchlich.
Es ist also in Ordnung, wenn ein Abgemahnter das Verhalten des Abmahners überprüft und dann seinerseits abmahnt. Selbst die Vertretung durch einen Anwalt ist für sich dann noch nicht schädlich.
Missbrauch durch koordinierte Abmahnung
Das Gericht sah jedoch ein „abgestimmtes oder zentral koordiniertes Verhalten“ in den Salven, für „das kein vernünftiger Grund“ vorgelegen habe. Es werde problematisch, wenn über das Internet Betroffene eingesammelt würden und die Angriffe dadurch massiert würden.
Für einen Missbrauch spreche auch die insgesamt sechsmalige Abmahnung von teils gleichen Verstößen und die weiteren drei gleichzeitigen neuen Abmahnungen und Geltendmachung von Vertragsstrafen.
Rechtsanwalt ist Wissensvertreter
Der abmahnende Mandant müsse sich die Kenntnis von Rechtsanwalt G. als Wissensvertreter zurechnen lassen, dem die erforderliche Informationsbeschaffung, der Austausch der Informationen mit Gleichgesinnten und eine Koordinierung des Vorgehens überlassen worden sei.
Der Anwalt habe zur Schadensverhütung die Pflicht gehabt, den Mandanten zu informieren, dass es zu einer Mehrfachverfolgung kommen sollte. Neben dem denkbaren Missbrauch habe der Verfolgte auch in Insolvenz geraten können und damit der Mandant Ersatzansprüche verlieren können.
Eine Verschwiegenheitspflicht gilt hier insoweit nach den Feststellungen der Richter jedenfalls nicht. Anwalt G. habe nicht hinreichend vorgetragen, wieso gerade ein so koordiniertes Vorgehen den lauteren Wettbewerb fördern sollte.
Gegenabmahnung kann teure Rache sein
Der Mandant unseres Rechtsanwalt G. hatte am Ende der aggressiven Strategie hier nicht nur die Abmahnung am Halse, sondern auch die Kosten durch zwei Instanzen für die Gegenabmahnung. Dies zeigt, dass man mit dem scharfen Schwert der Gegenabmahnung vorsichtig umgehen muss.
Abgemahnte sollten vollmundigen Ankündigung von Anwälten prüfend begegnen. Überall dort, wo Ihnen eine Risikofreiheit versprochen wird, oder ein „das machen wir schon“, gibt man allzu leicht Verantwortung aus der Hand. Klar ist es Balsam auf die verletzte Seele des Abgemahnten, wenn der eigene Anwalt – wie hier – aus vollen Rohren schießt. Besser erscheint es jedoch dem Autor, „cold blooded“ vorzugehen. Es geht eben nicht um Rache, die teuer werden kann.
Ansichten, die schon in einer Gegenabmahnung selbst einen Missbrauch wittern, hat das Gericht allerdings erneut eine Absage erteilt. Sie bleibt legitimes Mittel der Auseinandersetzung. Begibt man sich jedoch auf einen Kreuzzug, um den Gegner in die Knie zu zwingen, kann das in die Hose gehen.
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