Hartnäckig hält sich die landläufige Meinung, man könne alle gekauften Waren innerhalb von 2 Wochen umtauschen oder zurückgeben, egal ob die Bestellung im Laden um die Ecke oder per Versandhandel erfolgt ist. Übersehen wird dabei regelmäßig, dass das von vielen stationären Händlern eingeräumte Rückgabe- oder Umtauschrecht, regelmäßig auf Kulanz beruht und hierauf kein Rechtsanspruch besteht.
Widerrufsrecht im Fernabsatz
Ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht grundsätzlich (neben Haustürgeschäften und einigen besonderen Vertragstypen) nur bei einer Bestellung im Fernabsatz, also im Distanzhandel, unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln, wie Telefon, Internet oder dem Katalogbestellschein.
Doch was passiert, wenn sich der stationäre und der Distanzhandel vermischen? Ist ein Kauf im Laden per Smartphone ein Fernabsatzgeschäft? Gerade in Zeiten des zunehmenden mobile commerce und des Cross- bzw. Multi-Channel Marketing (vgl. unser Beitrag), gewinnt diese Frage an Relevanz. Hiermit musste sich nun das AG Frankfurt/Main auseinandersetzen (Urt. v. 6.06.2011 – 31 C 2577/10).
Vertragsschluss per E-Mail
Im zugrundeliegenden Fall waren die Kläger auf der Suche nach einem Kaminofen im Laden des Beklagten gewesen, um sich dort zu informieren. Zu einem Kauf kam es nicht. Einige Zeit später sandte der Verkäufer ein Angebot per E-Mail an die Kläger, die dieses, wiederum mit einiger Verzögerung, annahmen. In der Folge wurde eine Anzahlung geleistet und es kam zu Besichtigungsterminen zur Vorbereitung des Einbaus. Nach Unstimmigkeiten erklärten die Kläger dann die Anfechtung und den Widerruf des Kaufvertrages und verlangten Rückzahlung des Kaufpreises.
Das Gericht gab den Klägern nun Recht. Eine Anfechtung des Vertrages sei nicht möglich, wohl aber ein Widerruf, weil es sich um einen Fernabsatzvertrag nach §§ 312b ff. BGB gehandelt habe. Angebot und Annahme des Kaufvertrages seien per E-Mail und damit einem Fernkommunikationsmittel erklärt worden. Damit lag ein Fernabsatzvertrag vor. Die Widerrufsfrist hatte mangels Belehrung und Erfüllung der Informationspflichten, noch gar nicht zu laufen begonnen.
Praxistipp
Maßgeblich für die Bestimmung, ob es sich um einen Fernabsatzvertrag handelt, ist allein der Vertragsschluss. Findet dieser ausschließlich unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln statt, handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag. Ob vorher eine Beratung im Laden stattfindet, spielt dabei keine Rolle. Auch stationäre Händler müssen also darauf achten wie im Einzelfall der Vertrag zustande kommt. Das Zusenden eines Angebots per Mail oder Fax an einen Kunden, kann, auch wenn dieser vorher schon im Laden war, einen Fernabsatzvertrag mit allen damit verbundenen Verpflichtungen, insbesondere in Bezug auf die Informationspflichten und das Widerrufsrecht auslösen.
Doch auch wenn der Kunde noch im Laden online bestellt, etwa weil ein bestimmtes Produkt nur noch dort verfügbar ist, dürfte es sich um einen Vertragsschluss im Fernabsatz handeln. Der mit dem Widerrufsrecht zu kompensierende Nachteil der fehlenden Prüfungsmöglichkeit vor Ort besteht in diesen Fällen ebenso, wie beim Bestellen von der Couch zuhause. Gerade bei schon im Geschäft installierten Cross-Channel-Elementen stellt sich dabei die Frage, wie und wann der Kunde in diesen Fällen – in Textform – über sein Widerrufsrecht belehrt wird.
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