Wenn man als Online-Händler Bio-Produkte zum Kauf anbieten möchte, muss das eigene Unternehmen zwingend bio zertifiziert sein. Ohne Zertifizierung ist die Verwendung des Begriffs „bio“ tabu!
Der EuGH (Urt. v. 12.10.2017, C-289/16) entschied die Frage, ob bei einem Online-Verkauf von Bio-Produkten die Voraussetzungen des Art. 28 Bio-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen) einhalten werden müssen.
Eine Folge der Anwendbarkeit dieser Vorschrift: Das Unternehmen muss zertifiziert sein, damit Bio-Produkte verkauft werden können.
Rechtliche Regelungen
Art. 28 der Bio-Verordnung bestimmt:
„(1) Jeder Unternehmer, der Erzeugnisse im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 erzeugt, aufbereitet, lagert, aus einem Drittland einführt oder in Verkehr bringt, ist verpflichtet, vor dem Inverkehrbringen von jeglichen Erzeugnissen als ökologische/biologische Erzeugnisse oder als Umstellungserzeugnisse
a) seine Tätigkeit den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem diese Tätigkeit ausgeübt wird, zu melden;
b) sein Unternehmen dem Kontrollsystem nach Artikel 27 zu unterstellen.“
Das Gesetzt sieht jedoch in Art. 28 Abs. 2 der Bio-Verordnung eine Ausnahme vor, wonach eine Zertifizierung nicht erforderlich ist bei einem Direktverkauf an Endverbraucher. Dort heißt es:
„(2) Die Mitgliedstaaten können Unternehmer, die Erzeugnisse direkt an Endverbraucher oder ‑nutzer verkaufen, von der Anwendung dieses Artikels befreien, sofern diese Unternehmer die Erzeugnisse nicht selbst erzeugen, aufbereiten oder an einem anderen Ort als in Verbindung mit der Verkaufsstelle lagern oder solche Erzeugnisse nicht aus einem Drittland einführen oder solche Tätigkeiten auch nicht von Dritten ausüben lassen.“
Umsetzung in nationales Recht
Der deutsche Gesetzgeber hat in § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Union auf dem Gebiet des ökologischen Landbaus – Öko-Landbaugesetz (im Folgenden: ÖLG) von der in Art. 28 Abs. 2 der Bio-Verordnung vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht.
§ 3 Abs. 2 ÖLG sieht vor:
„(2) Unternehmer, die Erzeugnisse im Sinne von Artikel 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 als ökologische/biologische Erzeugnisse oder Umstellungserzeugnisse direkt an Endverbraucher oder ‑nutzer abgeben, sind von dem Einhalten der Pflichten nach Artikel 28 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 freigestellt, soweit sie diese Erzeugnisse nicht selbst erzeugen oder erzeugen lassen, aufbereiten oder aufbereiten lassen, an einem anderen Ort als einem Ort in Verbindung mit der Verkaufsstelle lagern oder lagern lassen oder aus einem Drittland einführen oder einführen lassen.“
BGH: Auslegungsmöglichkeiten des Art. 28 Abs. 2 der Bio-Verordnung
Der BGH, welcher sich mit der Sache befassen musste, sah verschiedene Auslegungsmöglichkeiten des Art. 28 Abs. 2 der Bio-Ver0rdnung.
Zum einen lasse sich vertreten, dass der Verkauf am Ort der Lagerung des Erzeugnisses unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Käufers erfolgen müsse. Nach dieser Auslegung fiele der Online-Handel ebenso wie andere Formen des Versandhandels nicht unter den Befreiungstatbestand des Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 834/2007. Zum anderen könne diese Bestimmung auch dahin ausgelegt werden, dass das Erfordernis des direkten Verkaufs Verkäufe ausschließe, bei denen ein Zwischenhändler eingeschaltet sei.
BGH fragt EuGH
Der BGH hat dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Liegt ein im Sinne von Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 834/2007 „direkter“ Verkauf an Endverbraucher bereits vor, wenn der Unternehmer oder sein Verkaufspersonal dem Endverbraucher die Erzeugnisse ohne Zwischenschaltung eines Dritten verkauft, oder setzt ein „direkter“ Verkauf darüber hinaus voraus, dass der Verkauf am Ort der Lagerung der Erzeugnisse unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Endverbrauchers erfolgt?
Entscheidung des EuGH
Der EuGH hat zunächst ausgeführt, dass die Ausnahmeregelung des Art. 28 Abs. 2 der Bio-Verorndung eng auszulegen sei.
Auch nach den Erwägungsgründen seien Ausnahmen von den Anforderungen an die ökologische/biologische Produktion unbedingt auf die Fälle zu begrenzen, in denen die Anwendung von Ausnahmeregelungen als gerechtfertigt anzusehen ist. Der EuGH fürht weiter aus:
Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 834/2007 gehört zu den Bestimmungen dieser Verordnung, die die Kontrolle der Anforderungen betreffen, die der unionsrechtliche Rahmen für die ökologische/biologische Produktion vorschreibt.
Um sicherzustellen, dass die ökologischen/biologischen Erzeugnisse im Einklang mit diesen Anforderungen erzeugt werden, sollten nach dem 31. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 834/2007 die Tätigkeiten der Unternehmer auf allen Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs solcher Erzeugnisse dem Kontrollsystem nach Art. 27 Abs. 1 dieser Verordnung unterliegen.
Dieses Kontrollsystem soll gemäß Art. 27 Abs. 13 der Verordnung Nr. 834/2007 für jedes Erzeugnis die Rückverfolgbarkeit auf allen Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs erlauben, um insbesondere den Verbrauchern die Gewähr dafür zu bieten, dass die ökologischen/biologischen Erzeugnisse in Übereinstimmung mit den Anforderungen dieser Verordnung hergestellt worden sind.
Vor diesem Hintergrund zielt der 32. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 834/2007 keineswegs auf eine allgemeine Befreiung von der Pflicht nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung ab, sondern spricht ausdrücklich von „bestimmten Arten von Einzelhandelsunternehmern“ und „einigen Fällen“, um die Fälle zu umschreiben, in denen die Anwendung der Melde- und Kontrollvorschriften unverhältnismäßig erscheinen könnte.
Es liefe daher dem durch die Verordnung Nr. 834/2007 eingerichteten System zuwider, eine Auslegung zu bestätigen, durch die eine Ausnahme, die für eine begrenzte Zahl genau bestimmter Fälle von beschränkter wirtschaftlicher Bedeutung konzipiert ist, in eine Regel verwandelt wird, die für weite Teile des Online-Handels sowie für andere Formen des Versandhandels eine Ausnahme vom Kontrollsystem begründen kann, auch wenn diese Vertriebskanäle im Rahmen der ökologischen/biologischen Produktion eine erhebliche und zunehmende Bedeutung einnehmen.
(…)
Insoweit erscheint die Anwendung dieser Vorschriften auf den Online- oder Versandeinzelhandel, wie die Kommission hervorhebt, vollkommen gerechtfertigt, da die Lagerung der Erzeugnisse – in der Regel in nicht geringen Mengen – und die Auslieferung durch zwischengeschaltete Dritte ein Risiko der Umetikettierung, des Vertauschens und der Kontaminierung bergen, das nicht als generell gering eingestuft werden kann.
Die Antwort des EuGH auf die Vorlagefrage des BGH lautete daher:
Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 ist dahin auszulegen, dass Erzeugnisse nur dann im Sinne dieser Bestimmung „direkt“ an den Endverbraucher oder -nutzer verkauft werden, wenn der Verkauf unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Endverbrauchers erfolgt.
Fazit
Will man insofern als Online-Händler in seinem Sortiment auch Bio-Produkte zum Kauf anbieten, muss man den Online-Shop zunächst bei der zuständigen Öko-Kontrollstelle zertifizieren lassen. Anderenfalls drohen Abmahnungen.
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