EuGH-Generalanwalt: Belehrung über Ausnahmen vom Widerrufsrecht

Beim EuGH ist aktuell ein interessanter Fall anhängig. Es geht um die grundsätzliche Frage, ob Verträge über die Lieferung von Matratzen vom Widerrufsrecht ausgenommen sind oder nicht. Der BGH, stellte noch eine weitere spannende Frage, die massive Auswirkungen auf Händler haben wird.

Der BGH will vom EuGH wissen:

Hat der vom Unternehmer vor Eintritt der Vertragsbindung zu erteilende Hinweis nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. k der Verbraucherrechterichtlinie in der Weise zu erfolgen, dass der Verbraucher unter konkreter Bezugnahme auf den Kaufgegenstand (hier: Matratze) und die angebrachte Versiegelung darauf hingewiesen wird, dass er das Widerrufsrecht bei Entfernung des Siegels verliert?

Alte Entscheidung des BGH

Zum alten Rückgaberecht entschied der BGH (Urt. v. 9.12.2009, VIII ZR 219/08), dass es ausreiche, die gesetzlichen Ausnahmen unterhalb der Belehrung aufzulisten.

Der BGH sah es als unproblematisch an, dass diese Auslistung nicht vollständig und mit dem Satz „Das Widerrufsrecht besteht unter anderem nicht…“ eingeleitet war.

Seit dieser Entscheidung des BGH wird in deutschen Online-Shops nur so pauschal auf die gesetzlichen Ausnahmen vom Widerrufsrecht hingewiesen. Auch der Online-Händler im Ausgangsfall zählte lediglich die gesetzlichen Ausnahmen in seinen AGB auf, ohne konkreten Bezug zum Produkt.

Generalanwalt: Belehrung muss konkret sein

Jetzt fragt der BGH den EuGH, wie auf die Ausnahmen vom Widerrufsrecht hinzuweisen ist. Konkret unter Bezugnahme auf das Produkt oder abstrakt?

Der Händler verteidigte sich damit, dass er seinen Informationspflichten aus der Verbraucherrechterichtlinie nachkommen würde, wenn er eine globale vorvertragliche Belehrung über das Widerrufsrecht bereithalte. Eine produktbezogene, konkrete Belehrung über die Ausnahmen stehe nicht im Einklang mit den Zielen des Verbraucherschutzes. Es genüge hier eine nachvertragliche Zuverfügungstellung der Informationen.

Dieser Ansicht folgt der Generalanwalt nicht.

Insbesondere erteilte er der Auffassung eine Absage, dass es reichen würde, die Informationen nach der Lieferung zur Verfügung zu stellen.

Die vorvertraglichen Informationen, die der Unternehmen dem Verbraucher erteilen muss, müssen „klar und verständlich“, also zweifelsfrei, sein. D.h. nach Auffassung des Generalanwaltes, dass ein

normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger europäischer Durchschnittsverbraucher in der Lage ist, über die Eingehung der Verpflichtung in voller Kenntnis der Sachlage zu entscheiden.

 

Ein Unternehmer, der in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (oder unterhalb der Widerrufsbelehrung) lediglich den Wortlaut der gesetzlichen Ausnahmen wiedergibt, erfülle die Anforderungen über die Information über die Ausnahmen nicht.

Antwort des Generalanwaltes

In der hilfsweisen Antwort des Generalanwalt heißt es dann,

dass der Unternehmer – wenn eine Ware entsprechend den in Art. 16 Buchst. e dieser Richtlinie vorgesehenen Umständen versiegelt ist – den Verbraucher vor Abschluss des Fernabsatzvertrags unter konkreter Bezugnahme auf die betreffende Ware und unter deutlichem Hinweis darauf, dass diese versiegelt ist, ausdrücklich darüber zu informieren hat, dass er sein Widerrufsrecht bei Entfernung des Siegels verliert.

Fazit

Wenn der EuGH dem Votum des Generalanwaltes folgt – und dies ist in aller Regel der Fall – kommen schwere Zeiten auf Versandhändler zu. Wer sich dann nämlich auf die Ausnahmen vom Widerrufsrecht berufen möchte, muss de facto auf den Produktseiten konkret belehren, ob und unter welchen Umständen der Verbraucher das Widerrufsrecht bei diesem konkreten Produkt verlieren kann. Da hier die Gefahr von Fehlern sehr hoch, steigt parallel die Gefahr von Abmahnungen. (mr)

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Martin Rätze