Noch werden die ärztlichen Bewertungsportale – in Deutschland sind es derzeit zehn an der Zahl – eher spärlich frequentiert. Dass beim Patienten ein verzerrtes Bild entsteht, wenn ein Arzt nur ein oder zwei Bewertungen erhalten hat, liegt auf der Hand. Ebenso erscheint es fraglich, wie aussagekräftig die Bewertung durch einen medizinischen Laien ausfallen kann. Es ist eben nicht möglich, wie nach dem Friseurbesuch, mit „gefällt mir“ oder „gefällt mir nicht“ abzustimmen, da sich die Qualität der ärztlichen Behandlung dem Unkundigen nur in Ansätzen erschließt und die Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus ihren Teil zum Erfolg oder Misserfolg der Behandlung beitragen.
Doch von dem fraglichen Nutzen der Patienten hin zum möglichen Schaden der Ärzte:
Hin und wieder kommt es vor, dass der – zu Recht oder zu Unrecht – verärgerte Patient oder ggf. auch der Konkurrent von nebenan einen unschönen Bewertungsbeitrag ins Netz stellt. Wie viel Kritik ein Arzt hinnehmen muss und ob und wie er sich gegebenenfalls gegen die Bewertung wehren kann, soll im Folgenden dargestellt werden:
Zunächst ist es aus Datenschutzgründen unbedenklich, im Rahmen von Bewertungen den Namen und den Praxissitz des Arztes zu nennen, wenn diese Daten schon an anderer Stelle veröffentlicht waren, etwa durch eine eigene Homepage oder einen Telefonbucheintrag.
Sehr wohl bedenklich ist es dagegen, dass zwar jedermann das Recht hat, informiert zu werden, wenn ein öffentlicher Beitrag über ihn erscheint, eine Benachrichtigung des Arztes aber in den meisten Fällen nicht durch den Internetportalbetreiber erfolgt und er zufällig oder durch Hinweise Dritter – wenn überhaupt – auf den Kommentar aufmerksam wird. Allein deswegen kann der Arzt aber noch nichts gegen den Beitrag unternehmen.
Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert die Meinungsfreiheit, auch in Bezug auf Äußerungen im Internet. Meinungen dürfen daher auch ungehindert verbreitet werden. Nicht erlaubt ist es allerdings, falsche Tatsachen zu behaupten. Der Unterschied scheint nicht jedermann geläufig zu sein: Meinungen sind subjektiv und vom Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt. Tatsachenbehauptungen sind auf ihre Richtigkeit hin überprüfbar und können mit richtig oder falsch bewertet werden, Meinungen nicht.
„Dr. Müller ist nicht sehr nett“ muss Dr. Müller wohl oder übel hinnehmen, „Dr. Müller hat mich falsch behandelt“ nicht – vorausgesetzt, Dr. Müller hat den Patienten tatsächlich richtig behandelt. Eine kritische Auseinandersetzung mit seiner Leistung muss der Arzt dulden. Dadurch wird er insbesondere nicht in seinem grundrechtlich verbürgten allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Insoweit gelten die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Lehrerbewertungen entsprechend (spickmich-Urteil vom 23.06.2009).
Die Meinungsfreiheit findet jedoch ihre Grenzen in Beleidigungen und Schmähkritik, also Meinungsäußerungen, die sich nicht mehr mit der Sache auseinandersetzen, sondern nur auf eine verächtliche Herabsetzung der Person gerichtet sind.
So viel zur Theorie. Nun ist der hässliche Kommentar in der Welt und Millionen potentieller Patienten sollen gehindert werden, ihn zu lesen. Kann der Verfasser identifiziert werden, so kann gegen ihn im Falle von Beleidigungen und unwahrer Tatsachenbehauptungen strafrechtlich vorgegangen werden. In den meisten Fällen ist der Schreiber aber wohl nicht mutig genug, seine Identität preiszugeben und hüllt sich in den Schutz der Anonymität des Internets.
Handelt es sich aber bei dem Kommentar tatsächlich nicht um eine zulässige Meinungskundgabe, sondern um eine unwahre Tatsachenbehauptung oder eine Beleidigung, so besteht ein Anspruch des Arztes gegen den Portalbetreiber auf Löschung des Eintrags.
So einfach, wie es klingt, ist es allerdings nicht. Zum einen kann es Schwierigkeiten bereiten, einen Kommentar als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung zu klassifizieren, da oftmals beide Elemente enthalten sind. Im Einzelfall ist dann darauf abzustellen, welches Gesamtbild entstanden ist.
Zum anderen weiß keiner besser als der Jurist, dass Recht haben und Recht bekommen nicht das gleiche ist. Der Arzt muss, notfalls durch Sachverständigengutachten, beweisen, dass die aufgestellte Tatsachenbehauptung unwahr ist, er also beispielsweise den Patienten richtig und nicht falsch behandelt hat. So jedenfalls die bisherige Rechtsprechung in den wenigen gerichtlichen Verfahren, die es bisher gegeben hat. Im Falle einer anonymen Bewertung und inhaltlich nicht hinreichenden Konkretisierung kann dies den Arzt in erhebliche Beweisnot bringen mit der Folge, dass er letztlich nichts gegen den Beitrag unternehmen kann. Und selbst wenn es ihm gelingt, den Beweis zu erbringen, hat die Bewertung bis dahin möglicherweise schon erheblichen Schaden angerichtet.
Um solche Situationen möglichst schon im Vorfeld zu verhindern, hat das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) reagiert und 40 Qualitätskriterien für ärztliche Bewertungsportale erarbeitet. Auf Veranlassung von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung wurden dann im vergangenen Jahr alle zehn Arztportale auf diese Kriterien hin untersucht. Dabei wurden die Missstände deutlich: Kein einziges Portal informierte den Arzt vor der Veröffentlichung einer Bewertung, nur zwei räumten die Möglichkeit zur Gegendarstellung ein, die Aktualität der Bewertung war nicht abschätzbar und die Ermittlung der Bewertungsnote nicht nachvollziehbar.
Erfreulicherweise haben die Portalbetreiber reagiert und insbesondere datenschutzrechtlich nachgerüstet. Die Möglichkeit zum Widerspruch oder zur Gegendarstellung wird zum Teil bereits angeboten oder soll demnächst erfolgen. Dies lässt für die Zukunft hoffen, dass die Portale für Ärzte und Patienten verlässlicher und fairer werden. Letztlich gilt, dass Ärzte nicht jede Äußerung hinnehmen müssen; mit anwaltlicher Hilfe kann falschen Behauptungen wirksam entgegengetreten werden.
Die Gutachten des ÄZQ sind nach Zustimmung der Portalanbieter unter www.arztbewertungsportal.de frei zugänglich.
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