Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshof BGH (Urteil v. 01.12.2010, VIII ZR 82/10)
beschäftigt sich mit einer alten Musterbelehrung in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung vom 2. Dezember 2004. So weit so gut. Das gute alte Stück hatte inhaltliche Mängel, die der BGH auch noch einmal grundsätzlich bestätigte.
„Der Senat hat bereits entschieden, dass die Formulierung „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ den Verbraucher über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist nicht richtig belehrt, weil sie nicht umfassend ist.“ (Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 Rn. 13, 15)
Richtig interessant wird das Urteil dort, wo der BGH der Frage nachgeht, ob diese mangelhafte vom Verordnungsgeber damals vorgegebene Belehrung nicht allein deshalb die Frist zum Widerruf in Lauf gesetzt hat, weil der Händler geltend machte, er habe ja den Text des Musters übernommen.
Von der korrekten Übernahme des Musters hängt nämlich auch heute ab, ob sich ein Händler auf das gesetzliche Privileg des § 360 Abs. 3 BGB berufen kann. Danach genügt man den rechtlichen Anforderungen, wenn man das Muster in Textform verwendet. Damals existierte eine gleichlautende Vorschrift in § 14 Abs. 1 BGB-InfoV, die der BGH jetzt heranzog.
Auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV könnte sich die Beklagte nur berufen, wenn sie ein Formular verwendet hätte, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung vollständig entsprochen hätte (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 – VIII ZR 219/08, aaO; BGH, Urteil vom 12. April 2007 – VII ZR 122/06, aaO).
Einsparen der Überschriften kostet Privileg
Nun finden manche Händler, dass die Formulierungen im Muster zu sperrig sind. Auch die Überschriften finden nicht immer Gefallen und da „schraubt“ man auch gerne einmal selbst daran herum. Diesem Verhalten erteilt der BGH in dem aktuellen Urteil eine deutliche Absage. Auch im entschiedenen Fall hatte der Händler nämlich überflüssige Überschriften eingespart.
Es fehlten die im Muster vorgeschriebene Überschrift „Widerrufsbelehrung“ und die die Belehrung gliedernden Zwischenüberschriften „Widerrufsrecht“, „Widerrufsfolgen“ und „finanzierte Geschäfte“. Der Händler hatte nur die Überschrift „Widerrufsrecht“ genommen.
Der BGH zu diesem Verhalten: „Durch diese Überschrift wird verschleiert, dass der Verbraucher nicht nur ein Widerrufsrecht hat, sondern auch erhebliche Pflichten im Falle der Ausübung dieses Rechts“.
Tatsächlich suggeriert die Überschrift dem Verbraucher nur verheißungsvolles, nämlich ein Widerrufsrecht. Auf so etwas wie „Widerrufsfolgen“ wird er jedenfalls nicht durch den Blickfang einer Überschrift hingewiesen. Darauf, dass der Verbraucher gerade auch über die Folgen des Widerrufs aufgeklärt werden muss, hat der BGH schon früher hingewiesen.
Da zudem auch noch ein Satz bei der Finanzierungsbelehrung fehlte, hatte der Händler schon verloren.
Widerrufsbelehrung muss gestaltet sein
Der BGH geht noch weiter. Er verlangt eine ordentliche „äußere Gestaltung“ der Widerrufsbelehrung:
„Zwar darf die vom Unternehmer verwendete Widerrufsbelehrung in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen (§ 14 Abs. 3 BGB-InfoV). Dies ändert aber nichts daran, dass die Widerrufsbelehrung – auch bei Verwendung des Textes der Musterbelehrung – „deutlich gestaltet“ sein muss (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB).“
Auch heute verlangt § 360 Abs. 1 BGB eine deutliche Gestaltung der Widerrufsbelehrung und auch heute darf man (nur) nach § 360 Abs. 3 BGB in Format und Schriftgröße von den Mustern zur Widerrufsbelehrung und natürlich auch der Rückgabebelehrung abweichen.
Der BGH kritisierte nicht nur, dass durch das Fehlen der Überschrift „Widerrufsbelehrung“ nicht hinreichend deutlich werde, dass die Hinweise eine wichtige Belehrung enthielten. Auch sei die Schrift „nur mit großer Mühe lesbar“ gewesen („extrem klein“) und es habe jegliche Untergliederung des Textes gefehlt. Damit wird es also bereits für den Händler gefährlich, wenn er, um Absätze zu sparen, die Belehrungstexte praktisch aneinanderreiht, wie man es häufiger bei eBay oder amazon sieht. Er recht gilt dies bei fehlenden Zwischenüberschriften oder kleiner Schrift. Ab einer Schriftgröße unter 6Pkt. dürfte es spätestens kritisch werden.
Platzkampf im Katalog und in der Printwerbung
Damit ist der Platzkampf in Katalogen oder Anzeigen vorprogrammiert. Lesbare Schrift plus Zwischenüberschriften und Absätze werden dem Werbemittelgestalter, der seine Verkaufschancen an Quadratzentimetern bemisst, auf den Magen schlagen.
Verbraucherbegriff in AGB
Der Bundesgerichtshof geht im Urteil auch darauf ein, dass der Händler den Begriff „Verbraucher“ ohne weitere Erläuterung verwendet hatte. Es ist bekannt, dass das Widerrufsbelehrungsmuster und auch das Rückgaberechtsbelehrungmuster daran „kranken“, dass der Adressat nicht deutlich wird. Die persönliche Ansprache („Sie können Ihre Vertragserklärung….widerrufen…“) verschleiert, dass das Recht nur einem Verbraucher, nicht aber einem Unternehmer zusteht. Unser Händler hatte dieses Manko „repariert“, indem er einfach „Verbraucher können Ihre Vertragserklärung … widerrufen“ getextet hatte. Die BGH-Richter:
„Die Belehrung wendet sich auch nicht, wie es das Muster vorsieht, konkret an den Adressaten der Belehrung („Sie“), sondern ist abstrakt formuliert („Verbraucher“), ohne den Rechtsbegriff „Verbraucher“ zu erläutern.“
Dies scheint die Rechtsprechung zu bestätigen, nach der zumindest im Zusammenhang mit der Widerrufsbelehrung nicht ohne weitere Erläuterung darauf hingewiesen werden darf, dass das Widerrufsrecht (oder Rückgaberecht) nur einem Verbraucher zusteht. Versender sind hier gut beraten, diesen Begriff an geeigneter Stelle zu erläutern. Ob ansonsten ein „Sie“ tatsächlich „konkreter“ ist, als der Begriff „Verbraucher“ kann man diskutieren.
Praxistipp:
Schrauben Sie nicht selbst an den Belehrungen, sondern lassen Sie den Profi an Ihre Rechtstexte. Dem Fall lag die Bestellung eines Computers vom 26. Januar 2007 zugrunde. Jetzt, nach vier Jahren führt der Widerruf noch zum Erfolg. Da ist bei manchem Händler noch der ein oder andere juristische Blindgänger in den Unterlagen begraben. Wenn Verbraucher das komplizierte Geflecht bei der Widerrufsbelehrung besser durchschauen würden, ginge es manchem Händler schlecht. Nehmen Sie auch Gestaltungsfragen ernst und schrauben Sie nicht am Muster des Gesetzgebers.
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