Bei dem Begriff „vitalisierend“ handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe, welche nur unter Einhaltung bestimmter Bedingungen zulässig ist, so das OLG Hamm mit Urteil vom 20.05.2014 (Az. 4 U 19/14).
In der Sache ging es um die Bewerbung eines alkoholfreien Bieres auf den Rückenetiketten der Flaschen und auf den Verpackungen der sog. „Sixpacks“ mit der Angabe „vitalisierend“.
Das Gericht führt dazu aus:
Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO ist eine gesundheitsbezogene Angabe gegeben, wenn mit einer Angabe erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff „Zusammenhang“ ist dabei weit zu verstehen (EuGH, GRUR 2012, 1161 – Deutsches Weintor; EuGH, GRUR 2013, 1061 – Green – Swan Pharmaceuticals). Der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ erfasst jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (EuGH, GRUR 2012, 1161 – Deutsches Weintor; BGH, GRUR 2013, 189 – H2; BGH, GRUR 2013, 958 – Vitalpilze; BGH, WRP 2014, 562 – Praebiotik). Nach Erwägungsgrund 16 der HCVO kommt es darauf an, wie Angaben über Lebensmittel vom Verbraucher verstanden werden. Dabei ist vom normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auszugehen (BGH, WRP 2014, 562 – Praebiotik).
Nach diesen Maßstäben ist die Angabe „vitalisierend“ im Rahmen der in Rede stehenden Produktkennzeichnungen entgegen der Ansicht des Landgerichts gesundheitsbezogen. Dafür spricht bereits der Wortsinn dieses Ausdrucks. So bedeutet das Verb „vitalisieren“ „beleben“ und „anregen“ (vgl. Duden online (www.duden.de), Stichwort „vitalisieren“). Aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher hängt der Ausdruck „vitalisierend“ unmittelbar zusammen mit „Vitalität“ bzw. „Vitalsein“ oder „Lebenskraft“. Diese Eigenschaften werden typischerweise mit gesunden Menschen in Verbindung gebracht. Schon deshalb bringt das Adjektiv „vitalisierend“ eine Verbesserung des Gesundheitszustands zum Ausdruck (vgl. auch BGH, GRUR 2013, 958 – Vitalpilze – zur gesundheitsbezogenen Angabe „Zur Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit“ und „… erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit“; Senat, Urteil vom 30.04.2013 – 4 U 149/12 – zur gesundheitsbezogenen Angabe „Über 7.000 komplett natürliche Vitalstoffe geben Ihnen, insbesondere im Frühjahr, den nötigen Schwung für den Sommer“, wobei „Schwung“ im Zusammenhang mit einer weiteren Werbeaussage als „Stärke und Ausdauer“ zu verstehen war; Meyer/Streinz, 2. Aufl., HCVO, Rn. 61 zur gesundheitsbezogenen Angabe „Vitalität“).
Die angegriffenen Produktkennzeichnungen erwecken den Eindruck, dass die mit der Angabe „vitalisierend“ suggerierte Verbesserung des Gesundheitszustands durch den Konsum des Getränks „C alkoholfrei“ bewirkt wird.
Der Begriff vitalisierend werde auch nicht im Sinne eines „erfrischend“ gemeint. Er beziehe sich daher nich auf ein vom Anwendungsbereich der HCVO nicht erfasstes allgemeines Wohlbefinden, sondern auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden.
Die Frage der Zulässigkeit der unspezifischen gesundheitsbezogenen Angabe „vitalisierend“ beurteilt sich nach Art. 10 Abs. 3 HCVO.
Gemäß Art. 10 Abs. 3 HCVO sind Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (sog. Koppelungsgebot).
Hier steht hingegen eine gesundheitsbezogene Angabe zu einem alkoholfreien Bier in Rede. Unstreitig sind darin die Stoffe Niacin, Vitamin B12 und Folsäure enthalten, wie die Beklagte in ihrem vorgerichtlichen Schreiben vom 17.05.2013 (Anlage K 14) mitgeteilt hat. Hinsichtlich der Stoffe Niacin, Vitamin B12 und Folat ist in der Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß dem Anhang zur Verordnung (EU) 432/2012 bereits seit dem 14.12.2012 u. a. die Angabe zugelassen, dass diese Stoffe zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung beitragen. Nach Art. 1 dieser Verordnung ist die Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß Artikel 13 Abs. 3 HCVO, die über Lebensmittel gemacht werden dürfen, im Anhang der Verordnung festgelegt. Die Verordnung (EU) 432/2012 gilt nach ihrem Art. 2 seit dem 14.12.2012.
Auch der HCVO ist keine Bestimmung zu entnehmen, dass ihr Art. 10 Abs. 3 erst dann angewandt bzw. vollzogen werden kann, wenn die Liste der zugelassenen Angaben vollständig vorliegt. Das vom Bundesgerichtshof im Fall „Vitalpilze“ angeführte Argument, dass die HCVO bei einer Anwendung des Verbots des Art. 10 Abs. 3 vor Erstellung der Listen eine strengere Regelung enthielte als später, trägt im vorliegenden Fall nicht. Denn – wie vorstehend ausgeführt – ist für die Stoffe Niacin, Vitamin B12 und Folat, die eine gesundheitsbezogene Wirkung haben können, in der existierenden Teilliste bereits eine entsprechende spezifische gesundheitsbezogene Angabe zugelassen, die einer allgemeinen Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 3 HCVO beigefügt werden kann.
Das Gericht sah danach die Verwenduntg der Angabe „vitalisierend“ als gesundheitsbezogene Angabe dar, welche im konkreten Fall unzulässig war, da die erforderlichen Voraussetzungen nicht eingehalten wurden.
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